Alle(s) in einen Topf – Re: Andreas Mertin

Dass mir ein Fehdehandschuh hingeworfen wurde, hätte man mir auch mal sagen können! Gerade las ich die Replik von Christoph Breit auf Andreas Mertin und danach erst seinen “Kognitive Dissonanzen – Polemische Notizen zur Umwertung der Werte durch „Trollgeschädigte“” überschriebenen Aufschlag. Soweit hatte ich mich durch die aktuelle Ausgabe des theologischen Online-Magazins Tà katoptrizómena noch nicht durchgearbeitet (liest sich auf meinem Smartphone auch beknackt, weil nicht responsive).

Tatsächlich habe ich mich letzte Woche beim Artikel “Digitale Pioniere” festgelesen und habe – wie üblich – nach der Lektüre dieses ebenfalls von Andreas Mertin verfassten Artikels zustimmend vor mich hingeschmunzelt. Diese Jungspunde, die denken, sie hätten die Digitalität erfunden!

Umso herber meine Überraschung heute Abend, da ich zur Kenntnis nehmen muss, dass der von mir hochgeschätze Autor und Magazinmacher Mertin offensichtlich auch mich für einen dieser impertinenten Halbwüchsigen hält. Früher habe ich von dieser Reaktion nichts mitbekommen, weil mir niemand auf Twitter davon etwas gesteckt hat und Mertins Magazin auch kein Pingback an den entsprechenden Artikel in der Eule sendete). Mertin findet meinen Kommentar zur Malaise um das Nutzerverhalten Wolfgang Hubers auf Twitter “menschenverachtend und herabsetzend”, im Artikel fiele “eine extreme Form des Alters-Rassismus auf”.

Das hätte ich nicht erwartet. „Alle(s) in einen Topf – Re: Andreas Mertin“ weiterlesen

LGBTQ-Community als latente Kirche (repost)

Von der LGBT-Bewegung und der gegenwärtigen Debattenlage kann man Einiges lernen. Und die Kirche hat zu mehreren der verhandelten Gegenstände etwas zu sagen. Es soll aber einmal nicht um die Frage der religiösen Diskriminierung oder um die Frage der rechtlichen und gesellschaftlichen Gleichstellung und auch nicht um Stilfragen gehen, sondern allein darum, dass uns durch die Aktivisten der LGBT-Bewegung vorgeführt wird, was in Liebesbeziehungen unter Menschen denn eigentlich wichtig ist.

Nämlich, dass es nicht auf die Form der Beziehung und das Geschlecht und die Sexualität der beteiligten Personen ankommt, sondern auf die Qualität der in der Beziehung vermittelten Nähe. „Wenn Sex eine religiöse Dimension hat, dann nur, wenn er nicht allein der Befriedigung sexueller Bedürfnisse dient, sondern ein im wahrsten Sinne des Wortes intimes Geschehen ist. Intimität setzt gleichberechtige Partner voraus, deshalb verdammen die Autoren der Bibel sowohl Päderastie als auch  “Gelegenheits-Verkehr”. Wobei hier keine Häufigkeit (“manchmal”) gemeint ist, sondern eine Motivation (“weil es mir gelegen kommt”). Intimität als tiefster Grund der Sexualität setzt Einvernehmen, Gleichberechtigung und die Bereitschaft voraus, sich mitzuteilen. Sex ist die direkteste Kommunikation, zu der Menschen fähig sind. Eine solche Intimität ist die religiöse Dimension jeder Sexualität.“ (aus Ist Homosexualität christlich? – Versuch einer bleibenden Antwort)

Dort wo dies ermöglicht oder zumindest versucht wird, muss sich auch die manifeste Kirche investieren. D.h. auch, dass sie ihren Schutz von der „traditionellen“ Familie nicht abziehen muss. Wohl aber muss sie deren Vergötzung aufgeben. „Immer dann, wenn die Religion eine einzelne Sozialform nicht nach ihrem tiefsten Grund befragt, sie transzendiert und unter ihr Gericht stellt, kommt sie ihrer Sendung, nach dem Unbedingten zu fragen, nicht nach, sondern setzt Bedingtes an seine Stelle.“ Es kommt nicht auf die Form der gelebten Partnerschaft an. Im Politischen muss die Kirche „sich von ihrer vormaligen Heiligung einzelner Sozialformen lösen. [Sie] darf weder heterosexuelle, noch homosexuelle Partnerschaften an sich heiligsprechen. [Sie] muss sich dort investieren, wo Menschen nach dem Unbedingten fragen. Die Gleichstellung homosexueller Menschen muss daher als Anliegen der Christenheit gelebt werden.“ (ebenda, s.o.) Aus gleicher Begründung sollte die manifeste Kirche dort Einspruch einlegen, wo sich die LGBT-Bewegung überspannt, indem sie die Notwendigkeit und Möglichkeit echter menschlicher Beziehung an sich negiert.

Das Haus ist mein und doch nicht mein – Predigt zu Jesaja 5, 1-7 (Reminiszere 2018)

Ich spaziere durch ein kleines Dorf. Es ist Sommer. Jetzt, am späten Nachmittag, hat die Sonne längst ihren höchsten Punkt verlassen und wandert dem Horizont entgegen. Ich wandere auch – durch das kleine Örtchen, immer die Hauptstraße entlang. Viele andere Wege gibt es auch nicht. Hier und da nur kleine Abzweigungen, die zu Feldern oder in den Wald führen.

Ich sehe mich um, obwohl es viel nicht zu sehen gibt. Die alte Tür der kleinen Dorfkirche ist verschlossen, ihre Turmuhr stehen geblieben. Die Dorfgaststätte hat nicht geöffnet – vermutlich schon länger. Ich sehe üppige Blumenbeete und gepflegte Gemüsegärten neben den Wohnhäusern. Auf der Straße liegen kleine Büschel Heu – verloren vom Erntewagen. Von den Wiesen weht das Knattern und Klappern der Wendemaschinen herüber.

Auf meinem Weg komme ich an einem alten Fachwerkhaus vorbei. Eines von vielen, die sich die Straße entlang aufreihen. Die Balken sind bleich, an vielen Stellen ist der Lehmputz herausgebrochen, das darunter liegende Holzgeflecht ist zu sehen. Um das Haus liegt ein großzügiger Garten. Wild und struppig wachsen verschiedene Hecken durcheinander und umwuchern drei alte knorrige Obstbäume, an denen nichts mehr wächst. All das ist von einem zerfallenen Holzzaun begrenzt. Die Latten sind lose und morsch und von Moos bewachsen. Mehrere Zaunfelder fehlen oder sind umgestürzt. Der alte Beetgarten ist von Tieren zerwühlt und mit verdorrtem Unkraut übersät.

Ich gehe einige Schritte näher heran und suche mit meinen Augen einen Balken im oberen Stockwerk ab. Was steht da? “Das Haus ist mein und doch nicht mein. Nach mir zieht ein anderer ein.” Lange ist hier keiner eingezogen, denke ich, sehr lange. Schade. Ich gehe ein paar Schritte und betrachte das Haus und seinen Garten nochmal aus der Entfernung. Und ich versuche mir vorzustellen, wie es wohl einmal ausgesehen hat. Wie abends in den Fenstern Licht brannte, wie die Fassade und der Zaun heil waren, wie die Bäume Früchte getragen haben und auf dem Beet Kohlrabi, Erdbeeren und Lauch wuchsen. „Das Haus ist mein und doch nicht mein – Predigt zu Jesaja 5, 1-7 (Reminiszere 2018)“ weiterlesen

Nachtgedanken zur Berichterstattung über die AfD

Jetzt werden schon abgebrochene Interviews dokumentiert. Und der Abgang Alice Weidels ist auch ausreichend ausgeweidet worden. Das ist alles lächerlich. Zuerst und vor allem natürlich der Abgang selbst. Dieses Hintergrundrauschen und das permanente Hingaffen nutzt vor allem der AfD. Nun könnte ich einfach fordern: Klickt das nicht mehr! Denn Journalisten schreiben nun mal auch, was gerne geklickt und gekauft wird. In Deutschland würden noch immer Eier aus Käfighaltung gekauft, stünden sie in den Supermarktregalen. Allein mit der Forderung nach Konsumenten-Vernunft ist es nicht getan. Auch wenn das ein Anfang wäre. Trotz der Algorithmen. AfD-Berichterstattung kann und will ich auch nicht verbieten. Das ist ja sehr nützlich, diesen Unfug an die Öffentlichkeit zu zerren. Da muss Luft dran, dann trocknet das auch aus. Aber erinnern darf man schon: Zur journalistischen Sorgfaltspflicht gehört auch die Beachtung der Verhältnismäßigkeit.