In der Sächsischen Landeskirche wurde in den letzten Jahren herzhaft diskutiert: über die Möglichkeit homosexueller Pfarrer_innen, mit ihren Partner_innen im Pfarrhaus zu leben und damit auch über die christliche Haltung zu Homosexualität im Allgemeinen, d.h. schlussendlich mal wieder über das Schriftprinzip. Wie sind die Bibelstellen zu verstehen, die homosexuelle Handlungen verdammen und was ist – wenn man so will – die Mitte der Schrift, wenn es um den heutigen Umgang mit homosexuellen oder transsexuellen Menschen geht?
Dieser Streit ist mit der Synode vor ein paar Tagen zu Ende gegangen. Was nicht heißt, dass eine einvernehmliche Lösung erreicht wurde. Stattdessen legten die Synodalen in ihrer Abschlusserklärung noch einmal die je unterschiedlichen Schwierigkeiten der beteiligten kirchlichen Gruppierungen dar und die Zukunft „in Gottes Hand.“
Im Tausch gegen die Erwähnung der Befürchtungen evangelikaler Kreise, ihre Kritik würde marginalisiert und in die dunkle Ecke gestellt, empfiehlt die Sächsische Bekenntnisinitiative ihren Anhängern den Verbleib in der Landeskirche. Statt kontroverser Diskussion Raum zu geben, feierten die Synodalen gemeinsam Abendmahl.
So weit, so bekannt für die interessierte Beobachterin und so randständig für den Großteil der evangelischen Christen in Deutschland, denen solcherlei rückwärtsgewandte Diskussionen gepflegt egal sein können. Die Ablehnung Homosexueller und andere Fragen hängen für Evangelikale am Schriftprinzip, an dem zum Wohle der Geschlossenheit der eigenen Weltsicht nicht gerüttelt werden darf.
Und nicht nur in der Sächsischen Landeskirche gibt es reichlich Christen, die die Evangelikalen lieber in Ruhe ignorieren möchten, statt sie zu einer erstzunehmenden Diskussion über diese oder andere Fragen anzuhalten – solange sie nur fein kirchensteuerzahlende Mitglieder der Landeskirchen bleiben.
Was mir bei dieser Gelegenheit aber erneut aufgefallen ist, ist der Sprachgebrauch der Evangelikalen, der sich bis in die Synodenerklärungen und Kirchenzeitungen ausgebreitet hat. Dort ist ständig von „konservativen“ Werten, einem „traditionellen Familienbild“ die Rede.
Es ist ganz sicher nicht die Aufgabe eines „Progressiven“, gar „Liberalen“ wie mir, jetzt genau zu erkunden, was heute konservativ ist, aber man muss die Dinge schon als das benennen, was sie sind. Die hier angestrebte Sprachregelung erinnert mich an Epigonen des us-amerikanischen Kulturkampfwahnsinns wie Bill O’Reilly oder Glenn Beck, die enormen Erfolg damit haben, Ressentiments und Extremismus in harmlos klingenden Phrasen unterzubringen.
Es könnte ja ebenso auch gut konservativ sein, sich aus dem Privatleben und Schlafzimmern anderer Menschen herauszuhalten. Und was macht eine gute (christliche) Familie aus, ihr Personal oder die in ihr gelebte Liebe? Homophobie ist nicht konservativ. Homophobie ist ein Ressentiment, das in den Kanon rechtsextremer Einstellungen einzusortieren ist. Homophobie bedeutet die Negierung von Menschenrechten.
Auch das Festhalten an einer evangelikalen Bibelauslegung ist nicht konservativ. Sie ist (nicht nur) wissenschaftlich unredlich, simplifizierend, geht an der Mitte der Schrift vorbei und gefährlich, weil sie das Fundament für Ablehnung, Ausgrenzung und Hass bildet.
In der Sächsischen Landeskirche und anderswo verläuft die Konfliktlinie nicht zwischen konservativen Christen auf der einen Seite und liberalen Christen auf der anderen. Sie verläuft dort, wo sie durch unsere gesamte Gesellschaft führt, nämlich zwischen ewig rückwärtsgewandten Rechtsauslegern mit Hang zu Esoterik und Verschwörungstheorien und aufmerksamen, emphatischen Menschen, die sich den Fragen der Zeit mit wachem Blick und offenen Herzenstüren stellen.
Dieser Artikel erschien am 4. Mai zuerst als Teil der wöchentlichen Kolumne „Moment-mal“ auf theologiestudierende.de. Dort entspann sich auch eine Diskussion zum Artikel in den Kommentaren.