Anmut sparet nicht noch Mühe

Der 1. Juni ist Kindertag, zumindest Unter Heiden. Was gibt es zu diesem Anlass zu feiern oder wenigstens zu bedenken? Kind zu sein ist auch in unseren Tagen nicht einfach. Und noch immer erheben wir Christen das Kind zum Idealbild des Glaubens.

Zerrissene Kinderwelt
Die Welt der Kinder ist heute weit davon entfernt, eine Welt zu sein. Es herrschen unterschiedliche Aussichten auf Lebensermöglichung. Es gibt sowohl die totale Verneinung des Lebens und der Kindheit in Kriegen und unter den Bedingungen einer gewaltsamen Industrialisierung der Arbeitskraft des Kindes, unter denen seine anderen Kräfte verkümmern oder vernichtet werden. Als auch, die im Westen üblich gewordene Chancenmaximierung. Die Angst um die Zukunft der Kinder, die in Bildungs- und Erziehungsprojekten umgesetzt, dem Kind mitgegeben wird. Unter dem Motto: Kinder sind die Zukunft unserer Pläne.

Kinderpsychologen mühen sich, den Eltern unserer Tage zu erklären, dass nicht in jedem kleinen Joel ein Einstein, in jeder Luisa ein Topmodell und in jedem Finn ein Superstar steckt. Vor ein paar Jahren erntete ein us-amerikanischer Highschool-Lehrer Applaus für die simple Feststellung „you are nothing special,“ die er seinen Schülern anlässlich ihres Schulabschlusses mit auf den Weg gab. Eine heilsame Ergänzung unseres Bildungs- und Erziehungsstrebens.

Denn mit dieser Feststellung trifft der Lehrer auf den Punkt. 1,8 Milliarden Kinder leben auf dieser Erde. Das Maximum einer Lebenschance und die totale Verneinung des Kindes stehen an den Polen einer völlig zerrissenen Kinderwelt.

Falsches Ideal
Sowohl in biblischen Zeiten als auch heute sind Kinder schutzlos, stehen am Rande, sind ausgegrenzt. Nur in diesem Sinne ergibt die Aufforderung Jesu, wie die Kinder zu werden, Sinn.

Das Kind steht nicht für einen Idealzustand des Vertrauens und der Naivität – wie es bis heute in unseren Kirchen gerne verkündigt wird. Denn dann wäre die Kindheit das absolute Ziel und die Ermächtigung und Befähigung, das Wachstum von Menschenleben nicht in Gottes Ratschluss. Das Kind ist im Gegenteil dazu das mächtige Symbol für den Anfang.

Leidenschaft nicht noch Verstand
Bertolt Brecht schreibt seine Neuformulierung der deutschen Hymne in die Münder der Kinder hinein: „Anmut sparet nicht noch Mühe / Leidenschaft nicht noch Verstand / Dass ein gutes Deutschland blühe / Wie ein andres gutes Land.“

Sowohl bei der praktischen Verbesserung der Lebensumstände der Kinder dieser Erde, als auch in unserem – auch theologischen – Blick auf die Kindheit ist falsche Sparsamkeit fehl am Platz. Dass weder die Leidenschaft des Verstandes entbehren muss, noch die Mühe der Anmut, ist ein immer wieder notwendiger Rat. Anmut, das heißt fröhliche Bemühung ohne vorgeschobene Moralität. Deshalb zum Schluss und zum Start in die Woche eine andere Kinderhymne:


Dieser Artikel erschien am 1. Juni zuerst als Teil der wöchentlichen Kolumne “Moment-mal” auf theologiestudierende.de.

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