Seit 2013 schreibe ich Unter Heiden über Ostdeutschland. Einmal im Monat Mal so mal so erscheint die Kolumne bei theologiestudierende.de (und etwas später hier auf dem Blog). Aber natürlich gibt es noch viel mehr über Ostdeutschland zu lesen. Deshalb möchte ich hier einmal im Monat unregelmäßig Leseempfehlungen aufschreiben: Links unter Heiden.
Kein Terror in Sachsen – außer natürlich von Rechts!
Viele von Euch haben sicher die große Recherche von ZEITonline und DIE ZEIT gelesen, die einmal Gewaltaten gegen Flüchtlinge und Unterkünfte in Deutschland zusammengestellt hat. Wie viele Menschen auch, fand ich die Lektüre äußerst bedrückend. Sie ist auch sehr aufschlussreich, weil man in der Karte nach Anschlägen in der direkten Umgebung suchen kann. Dabei fällt einmal mehr auf, dass Sachsen und angrenzende Gebiete extrem viele solcher Vorfälle verzeichnet. Wie andernorts gilt auch in Sachsen: nur ein verschwindend geringer Teil der Straftaten wird aufgeklärt. Prozentual auch deutlich weniger als z.B. bei anderen Brandstiftungen.
In diesem Kontext stößt mir umso heftiger auf, dass der Sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) noch Ende November davon sprach, dass Sachsen und Deutschland sich glücklich schätzen kann, bisher von Terror verschont geblieben zu sein. „Dass Deutschland bisher von terroristischen Akten verschont blieb, sei einerseits auf die gute Arbeit der Sicherheitsbehörden zurückzuführen. Man könne aber auch von einer „glücklichen Situation“ für Deutschland sprechen, sagte Ulbig. Eine absolute Sicherheit lasse sich nicht versprechen. Von einer abstrakten Gefährdung sei auch Sachsen seit längerem betroffen.“
In Sachsen aber herrscht schon lange keine „abstrakte Gefährdung“ mehr, jedenfalls wenn es um rechtsextreme Gewaltaten und Terroranschläge geht. Diese treffen natürlich nicht die Mehrheitsgesellschaft, sondern vor allem Flüchtlinge und Immobilien, die zur Flüchtlingsunterbringung vorgesehen sind. Noch immer scheinen die Sächsischen Politiker von der CDU aber mehr um den islamistischen Terrorismus (und gerne auch mal „den Linksterrorismus“) besorgt, als um das Schicksal der Flüchtlinge, die in Sachsen anlanden.
Da ist es natürlich wichtiger, die Bevölkerung zu beruhigen, von islamistischen Terroristen gehe keine Gefahr für die zahlreichen und beliebten Weihnachtsmärkte im Sachsenland aus, als sich konsequent um die Verfolgung und Aufklärung rechtsextremer Anschläge zu kümmern. Und so mancher Lokal- und Landespolitiker – „Tacheles statt Moses“ – freut sich wohl insgeheim, dass das „Flüchtlingsproblem“ vor seiner Amtsstube von rechtsextremen Terroristen gelöst wird.
Provinz geht auch anders.
Ab und zu hört man die apologetisch oder entschuldigend gemeinte Äußerung, dass die Provinz in der ja bisher weniger oder gar keine Ausländer lebten, nichts für ihre Xenophobie könnte und viel, viel mehr Zeit bräuchte, um sich anzupassen. Dass dem nicht so sein muss ist, zeigt ganz schön die Reportage von Lenz Jacobsen aus der Bayerischen Provinz auf ZEITonline.
Ich musste beim Lesen ein paar mal heftig schmunzeln, fast standen mir Freudentränen in den Augen. Hier nur ein paar Sätze, unbedingt lesen!
„Ämterhäufung ist auch nur ein anderes Wort für Networking.“
„Politiker in Berlin und München mögen von Ausnahmezustand raunen. In Herrieden hält man sich an die Tagesordnung.“
„Sechs der Flüchtlinge fahren immer ins Fitnessstudio nach Feuchtwangen. Der Betreiber will kein Geld von Ihnen. Aber er hätte gerne für die Steuer eine Spendenquittung. Da wurde es dann wieder schwierig. Dürfen Flüchtlinge deutsche Spendenquittungen schreiben? Was sagt denn das Finanzamt dazu? Darf Bunsen das vielleicht? Bunsen fand heraus: Darf er nicht. Jetzt läuft es folgendermaßen: Das Fitnessstudio zahlt die Beiträge für die Flüchtlinge an die evangelische Kirche. Diese überweist das Geld dann direkt zurück an das Studio und schickt eine Spendenquittung mit. Die Kirche darf das. Am Ende sind alle zufrieden, auch das Amt. Bunsen schüttelt den Kopf. „Ist irgendwie bescheuert. Aber funktioniert.““
Möge die Macht mit dir sein!
Michael Blume schreibt auf seinem Blog über das Erwachen des Mythos Star Wars und damit natürlich auch über unser Verhältnis zu Mythen im Allgemeinen. Blumes Zugänge als Forscher der Evolution von Religion sind immer wieder spannend (schon einmal hier auf dem Blog).
„Oder, wie ich es religionswissenschaftlich-trocken formulieren würde: Wir alle werden auch mit (unterschiedlich starken) Veranlagungen für Religiosität, Spiritualität und magisches Denken geboren. Und wir spüren (wissen?), dass dem eine „helle“ und eine „dunkle“ Seite abgewonnen werden kann (und muss?). Die meisten von uns kennen – und sei es im Kino – das Gefühl vom „Erwachen der Macht“, wenn sich das Leben für einen Moment aus dem Alltagsgrau erhebt, in Licht und Schatten scheidet und in einem höheren, durch bloße Erfahrung beglaubigten Sinn aufgeht. Für viele von uns ist Star Wars ein idealer Zugang zu dieser uralten Faszination der Mythen, der uns zugleich aber zu keinem bestimmten Glauben zwingt und uns auch humorvolle Distanz gestattet.“