Herzlich Willkommen im Archiv oder vielmehr in den Untiefen der Festplatte. Für das Proseminar Homiletik (schon ne Weile her …) sollten wir eine Andacht zu einem außerkirchlichen Anlass vorbereiten. So Jägertreffen, Stadtfest oder so. Ich habe mir damals die HochZeit ausgewählt.

Anlässlich des 20. Jubiläums der Hochstraße in Halle waren Hochzeitspärchen eingeladen, sich auf Höhe der Franckeschen Stiftungen auf der Hochstraße trauen zu lassen. Ich fingierte also für das Seminar die Situation, als Kirchenvertreter zu dieser „Massentrauung“ eingeladen zu sein und das Wort an die anwesenden Pärchen und ihre Angehörigen zu richten.

Hier die Andacht:

Liebe Traupaare,
liebe Familien und Freunde,
liebe Hallenser und Hallunken die heute hier auf die Hochstraße gekommen sind,

HochZeit, so ist das große Fest am heutigen Tag überschrieben. Hochzeit soll hier gefeiert werden. Nicht einmal, sondern gleich 28 Mal.

Sie, liebe Traupaare, freuen sich sicher schon lange auf diesen Tag. Und ich bin mir sicher, sie alle haben sich im Vorfeld ihrer Hochzeit viele Gedanken gemacht: Wie soll das Fest aussehen? Die Zeremonie ablaufen? Haben alle Gäste Unterkunft und Verpflegung? Viele Dinge sind zu bedenken. Langgehegte Wünsche und Vorstellungen sollen verwirklich werden. Und natürlich gibt es auch eine Liste – wenn auch vielleicht nur in ihren Köpfen – der Dinge, die sie sich an einem solchen fröhlichen Tag nicht wünschen.

Eine solche Liste, von Dingen, die bei ihrer Hochzeit nichts zu suchen haben sollen, tragen auch Marshall und Lily, das beliebte Pärchen aus der ProSieben-Sitcom „How I met your mother?“ zusammen. In diese No-Go-Liste wird auch ein Text aus der Bibel aufgenommen.

Er lautet:
„Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.“ (1. Brief des Paulus an die Gemeinde in Korinth 13, 4-7)

Marshall und Lily setzen diesen zweifelsohne schönen, ja, romantischen Text auf ihre Liste der Dinge, die sie bei ihrer Hochzeit nicht dabei haben wollen. Warum?

Nun: Kurz vorher hatten sich die beiden noch getrennt, weil sie, so jung wie sie noch sind, andere Dinge ausprobieren wollten, ihnen die lang geplante Hochzeit doch zu schnell vorkam. Daher meinten die beiden, dass das Bild von Liebe, welches der Bibeltext zeichnet, mit ihrer Wirklichkeit nichts zu tun hat, sondern im Gegenteil ziemlich kitschig und unangemessen ist, weil es alle Probleme scheinbar mit „der Liebe“ zukleistern, übermalen will.

Marshall und Lily haben da einen Wunden Punkt berührt, denn:

Die Liebe ist langmütig, aber eben auch ungeduldig und intolerant.
Die Liebe ist freundlich, kann aber auch in jähen Hass umschlagen.
Die Liebe eifert nicht, trotzdem kritisieren Liebende häufig aneinander herum.
Sie, die Liebe, bläht sich nicht auf, und doch erstickt sie manch ernsten Konflikt, der dann aus falscher Rücksicht heraus, eben doch nicht gelöst wird.
Sie sucht nicht das ihre, und ist doch zutiefst egoistisch.
Sie rechnet das Böse nicht zu, neidet aber das Gute.
Sie freut sich an der Wahrheit, und braucht dennoch die Lüge als Schutz („Das kann ich ihr/ihm doch nicht sagen, er liebt mich doch“, „Das er/sie so viel redet, stört mich, aber sagen würde ich ihm/ihr das nie, ich hab ihn/sie doch lieb.“
Sie, die Liebe, glaubt alles, und ist misstrauisch ohne Ende.
Sie hofft alles, aber noch mehr Verdächtigungen trägt sie mit sich herum.
Sie duldet alles, und ist doch schnell gekränkt.

Ja, die Liebe, sie hat mehr als nur die schöne Seite, wie sie uns der Text aus der Bibel zeigt. Die Liebe zwischen Menschen hat immer auch eine dunkle Seite. Dort wo Menschen einander lieben, wächst auch die Abhängigkeit. Ein Gefüge der Macht entsteht, das wir Menschen so oft ausnutzen. Ein Raum des Vertrauens wird geschaffen, den wir Menschen doch so oft zerstören. Ein Band der Treue wird geknüpft, das wir Menschen doch so oft durchschneiden.

Liebe Traupaare, mir scheint es, als ob Marshall und Lily recht damit haben, eben nicht diesen Text aus der Bibel für ihre Hochzeit zu wählen. Die beiden sind da realistisch genug, sie lassen sich von der Vorfreude und ihren romantischen Gefühlen nicht einfach so in die Irre leiten. Wenn die beiden das alles aber doch so realistisch, so bitter-sachlich sehen. Warum heiraten sie dann überhaupt?

Ich möchte eine Antwort versuchen:

Erstens verbindet die beiden ein Glaube. Ein Glaube daran, dass sie in ihrer Beziehung nicht alleine den vielen Schwierigkeiten gegenüber stehen. Nein, sie wissen sich in einem Netz aus Familie und Freunden geborgen, das sie auffängt, wenn es schwierig wird. Ja, sie glauben, dass sich ihre Partnerschaft, ihre Liebesbeziehung nicht ihrer eigenen Leistung verdankt, sondern ein Geschenk ist. Eine Gabe Gottes. Weil sie in ihrer Beziehung nicht nur auf sich sehen, deshalb können Marshall und Lily so gelassen mit der Zweideutigkeit ihrer Liebe umgehen und erliegen nicht einer oberflächlichen Romantik, sondern akzeptieren auch die Schattenseite der Liebe untereinander.

Zweitens haben die beiden eine Hoffnung, ein gemeinsames Ziel. Vielleicht wollen sie eine Familie gründen und ihre Ehe soll eine sichere Umgebung sein für Kinder, die in ihr glücklich aufwachsen. Vielleicht sind es andere Lebensträume, die die beiden sich erfüllen wollen: das eigene Haus, die Weltreise, alles was sich Menschen wünschen können. Gemeinsam werden sie einige ihrer Ziele erreichen, andere werden wohl immer Träume bleiben. Und trotzdem: eine gemeinsame Hoffnung, ein gemeinsames Ziel sorgt dafür, dass man nicht stehen bleibt und bequem wird.

Weil die beiden diese beiden Dinge miteinander teilen: Den festen Glauben, dass es mit Familie, Freunden – also einem sozialen Netz und Gottes Hilfe nur gut werden kann. Und die frohe Hoffnung, dass das gemeinsame Leben gelingen kann, auch wenn man mal gemeinsam an einem zu hoch gesteckten Ziel scheitert, weil das so ist, kann ich mir vorstellen, dass die beiden, Marshall und Lily – wie gesagt ein junges Pärchen aus einer Fernsehserie – aber nicht nur sie! – viele HochZeiten erleben werden.

Solche HochZeiten sind selten. Sie im Trott des Alltags zu entdecken und bewusst zu erleben, ist schwierig. Sie sind gut verborgen, gerade das macht sie so wertvoll. HochZeiten, Momente in denen wir die Liebe spüren. Solche kurzen Momente sind das Größte.

Liebe Traupaare,
ich wünsche ihnen von Herzen, dass solche HochZeiten in ihren Ehen zahlreich sind. Ich wünsche ihnen ein wachsames Auge, sie zu entdecken, wenngleich sie sich auch noch so gut verbergen. Ich wünsche Ihnen, dass sie an ihren Träumen festhalten, und doch ein Scheitern akzeptieren lernen. Ich wünsche Ihnen die Unterstützung durch ihre Familien und Freunde. Zum Schluss meiner Worte und zum Beginn ihrer Ehe wünsche ich ihnen allen den reichen Segen Gottes, dass er sie stärken möge in ihren Herzen Heute und jeden Tag ihrer Ehe hindurch. Amen.