Das Geschenk des Lebens zurücklegen

Friedrich Wilhelm Graf, streitbarer Theologe aus München, schrub im MERKUR einen wichtigen Beitrag zur aktuellen Sterbehilfedebatte. Auf theologiestudierende.de habe ich mich heute mit seinem Aufsatz auseinandergesetzt und einige eigene Gedanken hinzugefügt.

Hier entlang.

Und ein kleiner Appetithappen:

„Geschenk des Lebens“

Und so kommt Graf bei der Betrachtung der Rede vom „Geschenk des Lebens“ auch zur genau entgegengesetzten Überzeugung, dass man selbiges ebenso gut wieder in die Hände Gottes „zurücklegen“ könne. Einmal abgesehen von der etwas euphemistischen Metapher berührt Graf hier den eigentlich wunden Punkt der kirchlichen Debatte. Denn der Mensch sei eben nicht nur ein Geschöpf Gottes, sondern ein freies Geschöpf Gottes und somit in seiner imago dei auf die Erfüllung dieser seiner Freiheit verwiesen.

Konsequent zu Ende gedacht, bedeutet das nichts anderes, als dass der selbstgewählte Tod nur die letzte und konsequente Ausübung der von Gott gestifteten menschlichen Freiheit sei. Mit Michael Frieß, seinem ehemaligen Assistenten, kann Graf vom Suizid als der „letzten irdischen Glaubenstat eines Christen“ sprechen. „Wer sein Leben in Gottes Hand zurückgibt, bekundet auf diese Weise elementares Gottvertrauen.“

Was heißt hier konservativ?

In der Sächsischen Landeskirche wurde in den letzten Jahren herzhaft diskutiert: über die Möglichkeit homosexueller Pfarrer_innen, mit ihren Partner_innen im Pfarrhaus zu leben und damit auch über die christliche Haltung zu Homosexualität im Allgemeinen, d.h. schlussendlich mal wieder über das Schriftprinzip. Wie sind die Bibelstellen zu verstehen, die homosexuelle Handlungen verdammen und was ist – wenn man so will – die Mitte der Schrift, wenn es um den heutigen Umgang mit homosexuellen oder transsexuellen Menschen geht? „Was heißt hier konservativ?“ weiterlesen

Mehr Streit, bitte! + Kein Jesus Christus im AT

Nicht dass es außerhalb der kleinen Binnenwelt der akademischen Theologie irgendjemanden interessiert, aber das Alte Testament steht mal wieder auf dem Spiel. Jedenfalls könnte man denken, dass es Prof. Notger Slenczka (Berlin) tatsächlich – wie es die F.A.Z. befürchtet – um die Abschaffung des Alten Testaments ginge. Wer sich die Mühe macht, Slenczkas Aufsatz “Die Kirche und das Alte Testament” (immerhin 37 Seiten) zu lesen, dem wird zumindest aufgehen, dass sich sein Anliegen wohl kaum auf eine noch so griffige Schlagzeile herunterbrechen lässt. „Mehr Streit, bitte! + Kein Jesus Christus im AT“ weiterlesen

Bonhoeffer Nr. 2: (K)ein Heiliger

Auf theologiestudierende.de habe ich heute anlässlich des 70. Todestages Dietrich Bonhoeffers einen längeren Text geschrieben. Es geht darin vor allem um die Veränderungen im Bonhoeffer-Bild, die sich in den letzten Jahrzehnten ergeben haben, zwischen Verfemung, Verklärung und Vereinnahmung. Siebzig Jahre nach Bonhoeffers Tod ist der Kampf um sein Erbe nicht zu Ende, vielleicht gerade erst neu entbrannt.

Grafik: Max Melzer. Foto: Bundesarchiv, Bild 146-1987-074-16 / CC-BY-SA 3.0
Grafik: Max Melzer. Foto: Bundesarchiv, Bild 146-1987-074-16 / CC-BY-SA 3.0

Doch wäre es denn so schlimm, wenn vor allem dieser eine Satz, der mir wichtig geworden ist, in der ganzen Bonhoeffer-Verwirrung übrig bliebe: „Nur wer für die Juden schreit, darf gregorianisch singen.“ Oder das eine Gebet: „In mir ist es finster, aber bei dir ist das Licht“?

Nach deutlich mehr als siebzig Jahren ist es Zeit, Bonhoeffer weder zu verfemen, noch zu verklären, noch zu vereinnahmen. Wir brauchen Heilige nicht auf Grund dessen, was sie getan haben, sondern um zu lernen, wie sie es getan haben: In der Wendung zu denen, die keine Stimme, kein Obdach, kein Heil haben.

Bonhoeffer als Vorbild ergibt keinen Sinn, wenn es darum geht, einigen seiner Überzeugungen zu folgen, mögen sie uns noch so gut in unser je eigenes theologisches Konzept passen. Er taugt wohl als ein Vorbild – als Theologe und Christenmensch – wenn es um seine Haltung geht: sich nutzbar machen zu lassen für diejenigen, für die niemand sonst die Stimme erhebt, denen niemand sonst ein Zuhause schenkt, denen keiner Heil verkündet.