Seit 2013 schreibe ich Unter Heiden über Ostdeutschland. Mal so mal so erscheint die Kolumne bei theologiestudierende.de (und etwas später hier auf dem Blog). Aber natürlich gibt es noch viel mehr über Ostdeutschland zu lesen. Deshalb möchte ich hier Leseempfehlungen und ein paar eigenen Gedanken dazu aufschreiben: Links unter Heiden.
3 x woanders
In den letzten Tagen sind drei Texte von mir woanders erschienen. Hier die Leaser (Links + Teaser):
Verpflichtung (Spätschau.de)
“Heute sprach Ruth Klüger zur Gedenkstunde an die Shoah im Deutschen Bundestag. […] Mich hat ihre Rede zugleich beschämt und aufgerichtet zurückgelassen. […] Ich habe mich angesichts der tiefen Humanität und der Schönheit ihrer literarischen Worte aber für allem für unser heutiges Deutschland geschämt, in dem im doppelten Sinne hässliche Worte salonfähig geworden sind. Umso mehr war ich am Ende ihrer Rede davon überrascht, dass sie – Opfer der nationalsozialistischen Terrorherrschaft – uns Deutschen sogar Mut zu sprach.”
Politisch korrekt (Moment mal, theologiestudierende.de)
“Gerade Christen, die gegenwärtig besorgt darum sind, dass christliche Überzeugungen in unserer Gesellschaft nicht gehört werden, sollten sich hier engagieren. Nicht den neurechten Gegnern der Inklusion das Wort reden, sondern sich für eine inklusive Sprache und inklusive Gesellschaft einsetzen.”
Krankenhauskopfhörer (Techniktagebuch)
“Ich trottete also ins Foyer des Krankenhauses, erkundigte mich nach dem Krankenhauskopfhörerautomaten, warf in das Ungetüm 2,50 € ein, zog ein Plastikfenster von rechts nach links, entnahm ein ultimativ wackliges Paar Kopfhörer und trug es pflichtschuldig an das Krankenlager der Liebsten.”
Das neue Israel – Gedanken zum Shoah-Gedenktag am 27. Januar
Das Christentum sei das neue Israel. Israel, dass ist nicht nur der Zweitname Jakobs, den er am Jabbok erhält, als er in Richtung Pniel aufbricht. Israel, das ist sein Volk, das sind seine Nachkommen, unsere Vorfahren im Glauben. Die Frage des wahren Israel wurde in der Kirchengeschichte immer wieder gestellt. Erst nach der Shoah und dem 2. Vatikanischen Konzil auf Seiten der röm.-kath. Kirche hat die Kirche als Ganzes (Ausnahmen gibt es bis heute!) einen neuen Weg an der Seite des Judentums eingeschlagen und so vielleicht wieder zu dem zurückgefunden, was Paulus schon im Brief an die Gemeinde in Rom schrub.
Es widerstrebt mir, über die Leidensgeschichte der Juden zu sprechen. Nicht, dass es nicht wichtig wäre, gerade am heutigen Tag. Aber ich will das Judentum nicht ständig aus den Augen des Christen betrachten, der nach Jahrhunderten nichts anderes tun kann, als Abbitte zu leisten. Sehe ich die Juden dann nicht wieder und abermals nur als Opfer einer Geschichte, die von Christen gemacht wird und die ich weitererzähle?
Da fällt mir das Geprahle vom “jüdisch-christlichen Abendland” ein, was für ein Quatsch. Diese Wortpaarung suggeriert ja Partnerschaft und Einmütigkeit. Wenn aber, dann ist die Geschichte des Abendlandes eine Geschichte auch der Verbrechen an den Juden und ihrer Unterdrückung bis hin zur fast völligen Ausrottung während der Shoah.
Man muss froh darüber sein, meine Generation sollte es, ich bin es: Über jedes Samenkorn des Jüdischen soll sich gefreut werden, das uns in Europa und Deutschland noch geblieben ist. Wegen ihrer einmaligen Geschichte, Kultur – des Witzes, des Essens und der Musik wegen – wegen ihres Denkens und Glaubens, wegen ihrer Bibel und dann auch zuletzt, weil ihr Leben hier in Europa uns genauso wie jedes Flüchtlingsschicksal an die andere Seite der Geschichte erinnert, die die Mehrheitsgesellschaft noch nie zu sehen vermochte.
Das Christentum sei das neue Israel. Wenn überhaupt, dann sind wir damit vollumfänglich und fürchterlich gescheitert. Wenn überhaupt, bedeutete neues Israel zu sein, sich an den Rand zu stellen.
Das Christentum sei das neue Israel. Ist es nicht so, dass in der Bibel – dem „alten“, wie dem „neuen“ Testament – jede Verheißung einer Gruppe, einer Gemeinschaft gilt? Erst dem Volk, ganz Israel, dann auch den Christen, die sich in diese Tradition stellen? Gelten die Verheißungen Gottes gar nicht mir kleinem Individuum – zumindest nicht alleine -, sondern nur mir als Teil einer größeren Gemeinschaft, eines Volkes der Gottsucher und Wandernden? Gibt es Gottes Verheißungen im doppelten Sinne nur im Plural?
Es scheint mir schon so zu sein, dass der christliche Widerwille, Anderes oder mehr als die eigene Verkündigung gelten zu lassen – paradigmatisch am Beispiel der Ablehnung der Synagoge gezeigt, wenn auch nicht darauf begrenzt – seinen tieferen Grund in der Schwierigkeit des Menschen hat, mit Differenz und Polyphonie umzugehen. Was den Christen ihr wahres Israel war (und ist), das ist manchen eben die „abendländische Kultur“, das Deutschtum, die Ruhe und Ordnung – jedenfalls das, neben dem nichts anderes denkbar und lebbar erscheint.
Sich dieser Eintönigkeit – vielmehr dieses stahlharten Dualismus – zu erwehren und dagegen vorzugehen, erscheint mir eine wichtige Aufgabe jeder Religion, gerade weil sie in ihrer je eigenen Tradition genug „Material“ mitträgt, dass unvermeidliche Verletzungen und Reibungen auffangen, erklären, einordnen kann. Religion kann Differenz erträglich machen und Polyphonie ausdeuten.
Der Ort der Freiheit – Predigt zu Markus 10, 13-16 (Segnung der Kinder)
Diese Predigt habe ich im Hauptseminar Homiletik 2012 geschrieben und vor dem Seminar gehalten. Aus aktuellem Anlass veröffentliche ich sie hier auch endlich auf dem Blog. Direkt vor der Predigt werden die Kinder in den Kindergottesdienst bzw. in den Krabbelgottesdienst eingeladen, dies geschieht durch Ansage des Pfarrers und das gemeinsame Lied der Gemeinde:
Komm geh mit mir
von Gott erzählen wollen wir
groß oder klein
Gott will bei uns sein
Das Lied wird so lange wiederholt, bis die Kinder das Kirchenschiff verlassen haben, darauf folgt unmittelbar die Predigt. (Ungefähr so, wie in meiner Beispielgemeinde, der Heilig-Geist-Kirche in Dresden.)
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