Meine Herren, frohes Fest! – Eine Weihnachtspredigt für Männer

Im Rahmen eines Seminars zur Weihnachtspredigt habe ich letztes Jahr eine Weihnachtspredigt für Männer geschrieben, die ich am 1. Sonntag nach Trinitatis auch in Halle-Diemitz und der Christuskirche gehalten habe. Ursprung meiner Predigtidee war der kurze Weihnachtsgruß eines Freundes an seine männlichen Freunde und Bekannten: Meine Herren, frohes Fest!

I

Meine Herren, frohes Fest!

Rund um Weihnachten und in der Zeit “zwischen den Jahren” schreiben und erhalten wir Post. Weihnachtspost. Briefe, Karten, Emails, nur kurze Nachrichten über die sozialen Netzwerke oder per SMS. Es sind zumeist gute Nachrichten, wollen es zumindest sein. Frohe Weihnachten! Ich wünsche Dir ein gutes neues Jahr!

Mitten hinein in meine jährliche Auseinandersetzung mit Weihnachten habe ich dieses Jahr eine solche frohe Botschaft, eine gute Nachricht erhalten. Sie kam von einem Freund und Kommilitonen, sie war kurz, sie war eigentümlich schön, sie enthält alles, was zu sagen ist: Meine Herren, frohes Fest!

Manches kann man sich nicht selbst zusammenreimen, manches muss einem gesagt werden. Und es muss von jemanden bestimmten gesagt werden, damit es gehört wird.

II

Weihnachten und der Beginn des neuen Jahres ist für mich, für viele, bei aller Freude auch eine schwierige Zeit. Ja, da ist die Rückkehr zur Familie, das Zusammenkommen der zerstreuten Verwandtschaft. Da sind Lichter, Lieder, Gerüche. Da sind ganz bestimmte Gerichte, die wir essen, ganz besondere Dinge, die geschehen: wir stellen uns einen Baum ins Wohnzimmer, wir schenken und lassen uns beschenken, wir sitzen beieinander und haben Zeit.

Doch es gibt auch die rastlose Weihnacht, die hektischen Vorbereitungen und für viele sind die Festtage chaotisch: Weihnachtsstress. Da sind die vielen Menschen, die auch zu Weihnachten oder kurz danach arbeiten müssen. Menschen, die Alte und Kranke pflegen, sich um Einsame und Verlorene kümmern. Menschen, die es Weihnachten werden lassen und bei denen selbst so wenig weihnachtliche Gemütlichkeit einkehrt. Die Menschen, die bei der Bahn, bei den öffentlichen Verkehrsmitteln und Fluggesellschaften arbeiten, die dafür sorgen, dass wir alle nach Hause kommen können und die selbst Weihnachten unterwegs sind und nicht ankommen.

Und da sind die Menschen, die obwohl sie unter einem geschmücktem Baum im Kreise ihrer Familie sitzen, nicht fröhlich sind, ein rastloses Herz mit sich herumtragen – weil die Sorgen des Jahres nicht vergangen sind, weil das kommende Jahr, die Zukunft, droht statt einzuladen, weil Zweifel angebracht sind an der Botschaft der Engel: Fürchtet Euch nicht!

III

Und da sind, ich will sie heute einmal besonders herausnehmen, ins Licht stellen: die Männer. Die Männer, die ihre Pflicht tun und jene, die gerade zu Weihnachten nichts mit sich anzufangen wissen. Manche, denen die Possierlichkeit von Weihnachten auf die Nerven geht und erst recht das Gehabe der Frauen und der Trubel der Kinder oder auch die Einsamkeit auf der Dienststelle oder in der guten Stube, die wohl hergerichtet ist, aber leer bleibt.

Doch natürlich gibt es zu Weihnachten auch für Männer etwas zu tun: Den Baum aufstellen zum Beispiel. Das ist auch in meiner Frauen-Familie Männersache und also meine Aufgabe. Doch nachdem der Baum in den modernen Seilzugbaumständer eingestellt und ein wenig zurechtgerückt ist, ja, was dann? Es fehlt – mir zumindest – doch sichtlich das Abenteuer. Das Baumaufstellen ist fürchterlich leicht geworden, so leicht, dass es keine Hürde, keine Schwierigkeit mehr gibt und darum auch nichts in dem man bestehen könnte, aus dem man als Sieger und sei es auch nur gegen den störrischen Christbaumständer aus Großvaters-Tagen hervor gehen kann.

Wohl dem Manne, der sich auch zu Weihnachten Aufgaben sucht, denen er vielleicht nicht ganz gewachsen ist. Einmal das Essen kochen, auch auf die Gefahr hin, dass es nicht wie bei Muttern schmeckt? Einmal das Schmücken und Plätzchenbacken übernehmen, weil auch wir Männer einen Sinn für Schönheit und für Süßes haben?

Meine Herren, frohes Fest!

IV

Für all die Menschen, die auch an diesem 1. Sonntag nach Epiphanias noch zwischen den Jahren hängen, denen Weihnachten so oder anders noch nachgeht, weil es besonders schön oder eben besonders … nicht so schön war. Und für alle Männer, die mit Weihnachten etwas anfangen können oder auch nicht. Für sie hören wir heute alle die Weihnachtsgeschichte des Josef. Die Weihnachtsgeschichte der Männer.

Denn, Manches kann man sich nicht selbst zusammenreimen, manches muss einem gesagt werden. Und es muss von jemanden bestimmten gesagt werden, damit es gehört wird.

[Lesung: Zusammengestellt aus dem Matthäus-Evangelium, Download]

V

Josef, der Sohn Jakobs, träumt. Und man kann sagen, er träumt häufig. Vier ganze Male – so lässt es uns Matthäus in seinem Evangelium wissen – träumt Josef, der Sohn Jakobs, der Enkel Mattans, der Erbe Davids.

Im Traum wird er davon abgehalten, seine schwangere Frau im Stich zu lassen. Was in ihr wächst und sein Sohn werden wird, ist vom Heiligen Geist. Und er soll Jesus heißen.

Im Traum wird er gewarnt, vor Herodes, dem König, der auf der Suche ist nach dem Kind, um es zu töten. Er wird nach Ägypten gehen, ganz so wie sein literarisches Vorbild es tut: Josef, der Sohn Jakobs, der Traumdeuter, der Junge im bunten Rock, der Mann, der seine Familie vor dem Hungertod retten wird.

Und abermals im Traum erhält er Weisung, zurückzukehren nach Israel, weil die Gefahr vorüber ist. Und abermals steht Josef auf und nimmt das Kind und Maria mit sich und tut, wie ihm träumte.

Und als er Zweifel daran hegt, ob die Rückkehr wirklich sicher ist, da träumt es ihm nochmals. Und er erhält Befehl nach Nazareth zu gehen, in das Land jenseits des Jordans, den Weg am Meer, das Galiläa der Heiden.

Und all das geschieht, damit erfüllt wird, was wir seit Urzeiten wissen und so häufig vergessen: Deinen Weg magst Du dir nicht ausgesucht haben, Du kennst ihn nicht, er wird dich in die Fremde, nach Draußen und in die Gefahr führen. Du wirst nicht nur auf dich, sondern auf andere, auf deine Liebe und dein Kind, deine Zukunft Acht haben müssen. Und Du wirst ankommen, vielleicht nicht dort, wo Du wolltest, vielleicht nur wieder am Weg, im Galiläa der Heiden. Aber Du träumst.

VI

Es stimmt: Das Leben ist hart. Unverhofft zu einem Kind zu kommen. Den Arbeitsalltag, das Studium bewältigen. Zerbrochene Beziehungen heilen oder lernen mit ihnen zu leben. Einen Partner finden, ein Leben gründen. Sich selbst überwinden.

Es stimmt: Du bist nicht so wichtig. Es geht nicht nur um dich. Es geht um das Kind und seine Mutter. Es geht um deine Eltern, Mutter und Vater, die Pflege und Zuneigung brauchen. Kollegen und Mitarbeiter, die Zuspruch und Sicherheit gebrauchen können. Freunde, die mehr als ein gutes Wort nötig haben. Ein Land, eine Gesellschaft, eine Zukunft, die mit Dir, aber nicht um dich herum stattfindet.

Es stimmt: In deinem Leben geht es nicht um dich. Nicht nur um das, was Du schön und angenehm und vielversprechend findest. Sondern um das, was jemand für dich sein will – im Traum. Und was Du für andere sein kannst.

Es stimmt: Du hast nicht die Kontrolle. Das mit dem Kind ist einfach so passiert. Mit der Frau wirst Du es wohl richten müssen. Tod und Sterben deiner Freunde und geliebten Menschen hast Du nicht in der Hand und stehst vor ihnen machtlos da. Du weißt nicht, wo Du in ein paar Jahren stehen wirst. Und wenn Du es weißt – im Traum – dann zweifelst Du, ob dich dein Weg tatsächlich dahin führt.

VII

Noch träumen wir. Hören auf alte Geschichten, lassen uns gut zureden. Und wenn wir selbst stumm bleiben und uns nichts mehr sagen lassen, dann sprechen unsere Träume doch noch immer zu uns. Manches kann man sich nicht selbst zusammenreimen, manches muss einem gesagt werden. Und es muss von jemanden bestimmten gesagt werden, damit es gehört wird.

Josef träumt. Beide Josefs träumen. Und Josef steht auf und geht. Und sein Leben wird anders als er träumt und gerade darin bewahrheiten sich seine Träume. Beide Josefs träumen sich eine Zukunft. Josef aber hat einen Traum für sein Kind.

Weil Gott ihm in seiner Nacht erscheint. In der Nacht des Zweifels. In der Nacht der Angst. In der Nacht des Exils, der Einsamkeit. In der Nacht der Sorge. Weil Gott ihm in seiner Nacht erscheint, wandelt sich sein Traum von der Zukunft.

Und es bleibt wahr, dass das Leben hart ist, ganz und gar nicht königlich, aber es wird tragbar.

Und es bleibt wahr, dass Du nicht so wichtig bist, dass Du nicht im Zentrum stehst und sich die Häupter vor dir neigen, aber das ist gut so.

Und es bleibt wahr, dass es in deinem Leben nicht um dich geht, aber das gibt dir Richtung und Ziel. Das gibt deinem Leben Sinn – nicht nur im Traum.

Und es bleibt wahr, dass Du nicht die Kontrolle hast, dass Du nicht regierest und das ist keine Unwägbarkeit mehr, sondern Sicherheit, weil in deinen Träumen und auf deinem Weg ein anderer das Regiment führt.

VIII

Das ist die ganze Weihnacht. Josefs Weihnacht. Josefs Traum ändert sich, verändert ihn. Es mag der Traum seines Vaters gewesen sein, aber er träumt anders und bricht in anderer Richtung auf. Die alten Geschichten, und die Träume, bewahrheiten sich gerade darin, dass sie nicht stimmen müssen, aber trotzdem wahr sind. Und jetzt wird es mein Traum:

Heute ein König. Und ein ganz anderer als ich dachte.

Heute ein Sohn. Und ich gebe ihm den Namen Immanuel. Gott mit uns.

Heute ein Flüchtling. Und aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.

Heute ein Exilant, der in das Land seiner Kindheit nicht mehr zurückkehren kann. Weil es das Land nicht mehr gibt oder ich zu groß dafür geworden bin.

Heute ein Zweifler, der aufsteht und in eine neue Heimat aufbricht. Er soll Nazoräer heißen.

Ich bin kein Junge mehr, aber noch nicht ganz Mann.

Ich bin ein alter Mann und entdecke den Jungen wieder.

Heute ein Mann. Ein Herr sogar.

Amen. Meine Herren, frohes Fest!

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