Als Exil-Dresdner verfolge ich seit dem Herbst intensiv das Aufkommen von #Pegida und die Gegendemonstrationen von #nopegida und „Dresden für alle“. Über Weihnachten war ich zurück in meiner Heimatstadt. Meine Eindrücke von dort habe ich hier und in einem zweiten Teil aufgeschrieben. Gerade beim Thema #Pegida dient mir das Schreiben als Denkhilfe. Meine Gedankengänge sind also ganz bestimmt nicht abgeschlossen, sondern nur ein Ausschnitt aus dem was mich zum Thema bewegt. (Mehr zur #Pegida auf diesem Blog.)
Am Abend des 22. Dezember 2014 fand die bisher letzte #Pegida-Demo in Dresden statt. Anders als in den Wochen zuvor, bestellte das Bündnis „Dresden für alle“ seine Gegendemo ab und lud stattdessen zum ökumenischen Friedensgebet in die Kreuzkirche ein. Das Bündnis Dresden-Nazifrei aber organisierte eine Demo auf dem Schloßplatz (für Ortsunkundige: der Schloßplatz grenzt direkt an den Theaterplatz an, auf dem die #Pegida ihre Kundgebung abhielt).
Am 22. Dezember wollte ich unbedingt mit dabei sein, meine (Exil-)Dresdner-Stimme gegen #Pegida erheben und einfach auch mal schauen, wie es denn in der Innenstadt an den Demo-Montagen tatsächlich zugeht. Zu Friedensgebeten in Dresdner Kirchen bin ich in meiner Jugend (Irak-Krieg und so) genug gegangen, in die Kreuzkirche zum Beten kann ich jederzeit gehen, mich zog es zu den „linken“ Gegendemonstranten auf dem Schloßplatz.
Viele Dresdner wussten offenbar nicht, dass es nach der Absage von Dresden für alle trotzdem eine Gegendemonstrationsmöglichkeit gab. Und obwohl Dresden Nazifrei sich z.B. bei den Demos rund um den 13. Februar seit Jahren engagiert, spürte ich deutliche Zurückhaltung, als ich dazu einlud, mich doch auf die Demo zu begleiten. „Mit wem marschiere ich da eigentlich mit?“, schienen sich einige meiner Gesprächspartner zu fragen. Auch andere Abendgestaltungen standen der Demobegleitung im Weg. Völlig legitim, wie sich später herausstellen sollte. Mir scheint es so: Es braucht den größeren gesellschaftlichen Zusammenschluss wie bei Dresden für alle, um gerade schwankende Dresdner Bürger gegen #Pegida auf die Straße zu bekommen.
Beim Sternlauf gegen #Pegida ist das geschehen. Obwohl insb. die politischen Parteien eher weniger eigenes Fußvolk auf die Straße brachten, sendet ihre Beteiligung doch ein deutliches Zeichen. Gleiches gilt, wenn, wie in Dresden geschehen, sich die Kirchen (z.B. Superintendent Christian Behr) engagieren. Die größe Menge an Demonstranten kam aber durch den Aufruf der Studierendenräte Dresdens zusammen. All das fand nun am 22. Dezember nicht statt, so versammelten sich auf den Schloßplatz (nur) ca. 4000 Gegendemonstranten.
Ich selbst fuhr etwas verspätet mit der Straßenbahn in die Innenstadt, stieg am Pirnaischen Platz aus und setzte meinen Weg in Richtung Schloßplatz zu Fuß fort. Ein kurzes Wort zu den Teilnehmerzahlen: bei der #Pegida werden es wohl schon deutlich über 10 000 gewesen sein (die Polizei spricht von 17 500), die Teilnehmerzahl der Gegendemo schwankte erheblich mit einer Spitze bei 4 500, die meisten Leute – so um die 120 000 – waren aber in der Innenstadt um einzukaufen und sich die Weihnachtsmärkte schmecken zu lassen. Die bekamen auch an diesem Montag von dem ganzen Theater wahrscheinlich herzlich wenig mit. Auch das gehört zu meinem Dresden-Bild von jenem Montag dazu.
Über Twitter hatte ich schon vernommen, dass über den Fürstenzug kein Zugang zur Demo möglich sein würde. Warum, das erschließt sich mir nicht. Der Fürstenzug lag völlig ausgestorben da, kein Problem aus meiner Sicht, hier einen geordneten Zu- und Abgang der Demonstranten zu organisieren, schließlich war auch der Schloßplatz mit den Gegendemonstranten nicht überfüllt und die Lage stellte sich mir als außerordentlich übersichtlich dar. Die anwesenden Polizisten waren entspannt und wohl eher etwas gelangweilt.
Gemeinsam mit ein paar anderen Interessierten suchten wir nun also an der Rampe zur Augustusbrücke (Ende Brühlsche Terasse) Zugang zur Demo zu finden, der uns dort auch gewährt wurde. Auf diesem Weg sind wohl auch einige #Pegida-Sympathisanten auf die falsche Demo geraten. Dieser Zugang offenbar nicht allen Demonstranten möglich, wie ich später erfuhr, sollte der komplette An- und Abzug der Demonstration über die Brücke in Richtung Dresden-Neustadt erfolgen.
Leider war von den Reden, die über ein paar lächerliche Lautsprecher übertragen wurden, kaum etwas zu verstehen. Gibt es denn in Dresden und Umgebung keine Möglichkeit, an gute Technik zu kommen? Ich ging zunächst ein wenig auf die Brücke hinauf, um einen Blick auf die #Pegida-Demo auf dem Theaterplatz zu werfen. Ja, das waren deutlich mehr als wir hier. Große Deutschlandfahnen waren zu erkennen, genauso wie die kreativen Aktionen von Dresden für alle und der Semperoper. Ab und zu hörte man Gebrüll, von Weihnachtsliedern und Reden war nichts zu hören. Gleiches gilt wohl auch umgedreht.
Und das lag wohl nicht ausschließlich an der Lautstärke der jeweiligen Demonstranten, sondern vor allem am steifen Winterwind, der durch die Straßen und Plätze zog. Die Stimmung auf dem Theaterplatz war, mal vom tapfer gegen die #Pegida anbrüllenden harten Kern an der Absperrung, ziemlich entspannt, an Ratlosigkeit grenzend. Es waren vor allem junge Leute da, einige Familien auch, weniger ältere Mitbürger.
Meinen Abgang versuchte ich erst durch das Georgentor. Das ging natürlich nicht, denn ich hätte ja noch zur #Pegida rüber randalieren gehen können. Also setzte ich meinen Rückweg über die Augustusbrücke in die Neustadt fort. Mit mir gingen zu diesem Zeitpunkt schon viele weitere Demonstranten zurück, einige aber liefen uns entgegen, um erst noch zur Demo zu gelangen – das alles in schneidigen Winterböen. Mit einer weiteren Straßenbahn verließ ich die Innenstadt. Keine Viertelstunde später war ich am Wasaplatz. #Pegida weit weg.
Wenn man es nicht unbedingt mitkriegen will, dann kann dir #Pegida und #nopegida auch in Dresden am Arsch vorbeigehen.
PS: Am nächsten Tag hörte ich von einem wahrscheinlichen Überfall von #Pegida-Demonstranten auf Jugendliche mit Migrationshintergrund im Anschluss an die Demo. Davon habe ich lange gar nichts mehr gehört, bis heute die taz das Thema aufgriff.