Am morgigen Mittwoch findet der zweite Prozesstag im Verfahren gegen den Jenaer Jugendpfarrer Lothar König statt. Die Staatsanwaltschaft Dresden hat gegen ihn Anklage wegen schweren Landfriedensbruchs erhoben. König soll während der Proteste gegen den Nazi-Aufmarsch zum 13. Februar 2011 zu Gewalt aufgerufen haben. Seit Monaten richtet sich starker Protest gegen das Verfahren am Dresdner Amtsgericht. Die Junge Gemeinde-Stadtmitte aus Jena organisiert zahlreiche Solidaritätsaktionen für Lothar König und weitere Angeklagte, die nicht den Vorteil eines prominenten Namens haben – „Wenige sind betroffen, Alle sind gemeint.“
Immer wieder, 13. Februar in Dresden
Am 19. Februar 2011 nahm Lothar König gemeinsam mit vielen anderen Gegendemonstranten am Protest gegen den alljährlichen Nazi-Aufmarsch in Dresden teil. Der 13. Februar ist der Tag des Gedenkens an die Bombardierung Dresdens im 2. Weltkrieg und wird seit Jahren von Rechtsextremen für ihre Anliegen instrumentalisiert. (Inzwischen weicht man auch auf die Tage in unmittelbarer Nähe des Datums aus.) Wegen des Nazi-Aufmarsches halten sich an diesem Tag auch viele Gegendemonstranten und Polizeikräfte aus mehreren Bundesländern in der Stadt auf. Bei der Überwachung aller Demonstranten erfasste die Polizei in der Vergangenheit auch zehntausende Handydaten unbescholtener Bürger. Auch befragte sie offenbar Busunternehmer nach ihren Fahrgästen, Ermittlungsmethoden mit glorreicher Tradition. Seit Langem richtet sich der Protest auch gegen den Umgang des Freistaates und der Stadt Dresden mit Rechtsextremen. Ist die sächsische Justiz auf dem rechten Auge blind oder schaut sie nur mit dem linken genauer hin?
Nachdem Lothar König in diesem Spiegel-Artikel schwere Vorwürfe gegen die Polizei bzgl. der Organisation am 13. Februar 2011 erhob, wurden seine Amtsstube und Wohnung in Jena (Thüringen) von der sächsischen Polizei untersucht. Dabei wurden sein Rechner und sein Fahrzeug – ein alter VW-Bus, der bei Demos zum Einsatz kommt – beschlagnahmt. König selbst war zu diesem Zeitpunkt auf einer Alpen-Reise. Der VW-Bus wurde als „schweres Tatwerkzeug“ eingestuft – wtf? Im Nachgang dieser Aktion protestierten nicht nur zahlreiche lokale Politiker und Initiativen gegen das Vorgehen der sächsischen Behörden, auch die Leitung der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) meldete sich zu Wort. Bischöfin Junkermann beklagte vor allem, dass das staatlicherseits garantierte Seelsorge-Geheimnis durch die Hausdurchsuchung gefährdet würde.
Prozess
Im Dezember 2011 erhob die Staatsanwaltschaft Dresden dann Anklage wegen schweren Landfriedensbruch. Der Prozessbeginn war zunächst auf den 19. März 2013 festgelegt worden, wurde aber, nachdem der Strafverteidiger Johannes Eisenberg in den Akten mehr als 170 Seiten ungeordnetes Material entdeckt hatte, auf den 4. April verschoben. Die Existenz des Materials wurde zuvor von der Staatsanwaltschaft nicht mitgeteilt. Eisenberg sprach daraufhin von „einem klassischen Fall der Beweismittelunterdrückung“.
Über den Prozess berichtet die Soligruppe der JG-Stadtmitte ausführlich auf ihrem Blog. Und auch überregionale Presseorgane berichten. Wieviel kommt davon beim sächsischen Normalbürger an? Ich befürchte, wie üblich nicht viel. Über den ersten Prozesstag in Dresden wurde von der Soligruppe auch ein kleiner Video-Bericht angefertigt:
Aktion
Blind oder nicht blind, Gerichte in Deutschland sind frei. Meistens jedenfalls, auch in Sachsen. Ich hoffe, dass das Gericht zu einem gerechten Urteil kommt. Und dass es in Lothar König nicht einen konsequenten Mahner gegen die Verharmlosung rechtsextremer Gewalt trifft, der als Sündenbock für das Fehlverhalten einiger Demonstranten hingestellt wird. Mit seiner JG-Stadtmitte steht Lothar König nicht nur in der Tradition der Montagsdemonstrationen am Ende der DDR, sondern auch in der Tradition der Jungen Gemeinde, die schon in den 1950er-Jahren in Widerspruch zur Staatsmacht geriet. Wo dieser Widerspruch auch heute nötig ist, muss er von jungen Christen geübt werden. Das großartige Engagement der JG-Stadtmitte und ihrer Freunde gegen Rechtsextremismus und ihre ausführliche Begleitung des Prozesses gegen Lothar König sind ein tolles Beispiel für Ermächtigung und die Übernahme staatsbürgerlicher Verantwortung von der unsere Demokratie lebt. Wenn sie das nur auch in Sachsen lernten!
Tausende haben inzwischen die Solidaritätserklärung für Lothar König unter dem Titel „Gegen die Kriminalisierung zivilgesellschaftlichen Handelns! – Wenige sind betroffen, Alle sind gemeint“ unterschrieben, sei auch Du dabei! Für den morgigen 24. April ruft die Soligruppe zur Demonstration vor dem Landgericht auf, 12 Uhr findet eine Mittagsandacht statt.
Mehr:
Soligruppe der JG-Stadtmitte Jena
Landesbischöfin Junkermann über den Prozess – evangelisch.de
Spendenmöglichkeit Prozesskostenhilfe für Lothar König
Zu meinem 2. Artikel über den Prozess, hier entlang.
PS: Im ursprünglichen Text hatte ich so geschrieben, dass der Eindruck entstand, König werde wegen seines Verhaltens an einem 13. Februar angeklagt. Die Demonstration, um die es im Prozess geht, fand am 19. Feb. 2011 statt. Lothar König nimmt aber auch regelmäßig an Demos am 13. Februar in Dresden teil.
Kommentare
2 Antworten zu „Der Prozess des Lothar König“
Sie machen Werbung für einen linksradikalen Pfarrer. Genau an diesem linken Gutmenschentum scheitert die evangelische Kirche.
Die Prozessordnung gilt auch für die „Zivilgesellschaft“.
Ich mache keine Werbung für Lothar König. Wenn überhaupt, und im positivsten Falle, gibts durch diesen Post ein wenig mehr Aufmerksamkeit für den Prozess. Wie ich im Artikel geschrieben habe „Ich hoffe, dass das Gericht zu einem gerechten Urteil kommt.“. Ob König die Sachen, die ihm vorgeworfen werden, wirklich getan hat, muss das Gericht feststellen. Nicht ich.
Mir fallen auf Anhieb noch ein paar andere Dinge ein, an denen die evangelische Kirche scheitert.