Ich bin mir der Ironie dieses Blogposts bewusst. Aber als einer jener Blogger, die ganz offensichtlich mit einer Reihe von Beiträgen anderer Blogs gemeint sind, möchte ich doch ganz gerne meinen Senf dazu geben.
Am liebsten schreiben Blogger doch über das Bloggen selbst.
— Philipp (@rockToamna) 3. Januar 2015
Für mich begann diese Bloggerdiskussion mit dem Beitrag „Wenn du Blogs unterstützen willst …“ von Johnny Haeusler auf spreeblick.de vom 5. Januar 2015. Ich kann nur hoffen, dass er sich mit seinem Artikel an Blogger seiner Prominenz wendet. Dann würden die gutgemeinten, aber recht simplen Hinweise in seinem Artikel allerdings keinen Sinn ergeben. Deshalb muss ich wohl davon ausgehen, dass er mit seinen Blogunterstützungstipps wohl mich meint. Mich, im Sinne von: Ein Bloginteressierter oder Blogger, der noch keine zehn Jahre dabei ist und außerhalb des Circlejerks der Bloggerprominenz in Deutschland steht.
Ich schätze ja Erinnerungen, denn ich vergesse ja gerne auch mal Dinge. Aber ein wenig paternalistisch kommt eine solche Tippliste schon daher. Paternalistisch, weil sie von oben herab kommt. Mit diesem Beitrag hier wird Johnny 14 Trackbacks zu seinem Beitrag gesammelt und unzählige Likes, Empfehlungen und Tweets geerntet haben. Ich anerkenne sein Bemühen, andere Blogger in das bescheidene Scheinwerferlicht der deutschen Blogossphäre zu stellen. Allein, er ist damit (fast) allein.
Weiter ging die Metadiskussion über das Bloggen für mich mit dem Beitrag „Macht das Bloggen 2015 noch Sinn?“ von mic ρ (@eubulia), den ich über die Trackbacks bei Johnny gefunden habe. Er schreibt u.a.:
„All die Großtöner der Netzgemeinde sollten sich mal fragen, welche Nonames, welche Leisetreter, welche Anfänger sie im Jahre 2014 persönlich gefördert haben. Nennt mir nur einen einzigen, der nicht bereits eurer bestehenden Peergroup entstammte. Ich kenne die Antwort und nehme euch eure Ernsthaftigkeit nicht mehr ab. Ich glaube nicht, dass euch an einer breiteren Zivilgesellschaft gelegen ist, die über euch hinaus geht.“
Den moralischen Angriff vermag ich so zwar nicht komplett mitzugehen, weil mir die Beweggründe der gemeinten Blogger nicht klar sind. Es kann sich ja zum Beispiel auch nur um Faulheit oder fehlende Zeit handeln, das ist bei mir zumindest häufig so. Aber ich denke, es sollte klar geworden sein, was mich an Appellen der Alpha-Blogger inzwischen stört.
Mic p empfiehlt:
„Bloggt für euch selbst, oder bloggt mit anderen zusammen und schmiedet so eure eigenen Allianzen, vernetzt euch in der Peripherie, nicht mit dem Zentrum. Und verlasst euch nicht auf Gleichgesinnte unter den Etablierten: Sie sind an einer Förderung neuer Player in ihren angestammten Revieren höchstens höflich interessiert. Ein Wachstum der Netz-Zivilgesellschaft wäre für sie bereits mit dem nächsten Spendenerfolg erreicht. Um es zuzuspitzen: Die Idee einer eigenständigen, robusten und wehrhaften Gesellschaft hat zwar eine Lobby, aber leider keinen Nachwuchs mehr.“
Ich stimme ihm zu, außer natürlich seinem letzten Satz. Es gibt viel Nachwuchs, den liest nur niemand. Noch.
Meine Reise ging weiter auf den Blog von Patricia Cammarata (@dasnuf). Auch sie gehört zu den Blog-Berühmtheiten hierzulande. Sie schreibt unter dem Titel „DamalsTM„, dass Blogger dahin gehen sollten, wo ihre Leser sind, also hinein in eine größere Varianz sozialer Netzwerke und zu Youtube. Ansonsten freut auch sie sich, wenn sie in Form von Shares, Likes, etc. wahrgenommen wird. Kein Problem, auch ihr Beitrag wurde in den sozialen Medien herumgereicht und sammelte über 30 Kommentare.
Was soll das?
Was ich oben so geschrieben habe, klingt tatsächlich etwas weinerlich. Klingt nach „Linkneid 2.0“, weil viele meiner Beiträge keine große Wahrnehmung erfahren. Das ist aus zweierlei Gründen natürlich bescheuert. Erstens, weil ja bereits viele Beiträge dieses Blogs trotz meiner Unregelmäßigkeit und langen Pausen ordentlich „Linkliebe“ erfahren haben. Und zweitens, weil es meiner Meinung nach immer noch stimmt, dass Qualität sich durchsetzt. D.h. die Alpha-Blogger haben sich ihren Erfolg und ihr Publikum durch gutes Schreiben verdient und das heißt auch, dass gute Texte unbekannter Blogger irgendwann wahrgenommen werden.
Irgendwann? Vielleicht nie. Denn so wichtig der Autor ist, ohne Weitersagen funktioniert es nicht. Ein etwas schräger Vergleich: Die deutsche Blogosphäre braucht ihre Priester und Pfarrer, ihren Klerus, der qua Amt oder Berufung Dinge weitersagt, der sich darum kümmert, dass auch die Laien gehört werden oder die versteckten Stimmen. Das enthebt den Laienstand (ein Wort, das ich wirklich ungern benutze) nicht aus seiner Verantwortung, selbst tätig zu werden und seine Stimme zu erheben, aber mit Hilfe von oben läuft es leichter.
Mic P (s.o.) schrub:
„Zu dieser kritischen Betrachtung gehört für mich die imho absurde Idee einer rhetorischen Vielfalt, die in vielen Diskussionen schlicht unmöglich ist. Die politische Haltung ist bei vielen Themen bereits mit vier fünf möglichen Positionen abgefrühstückt, nur noch die Detailtiefe, ein möglicher Neuigkeits- und Nachrichtenwert oder die spezielle erzählerische Aufbereitung können in Beiträgen variieren. Ein Sascha Lobo hat immer noch ein gutes Gespür für kommende relevante Diskurse unserer modernen Lebenswelt: Wieso etwas erneut formulieren, das jemand mit phantastrilliardischer Reichweite bereits verfasst und verbreitet hat? In dieser Hinsicht sind wir längst in einem Oligopol mit parasozialen Stellvertretern angekommen und die vermutete, breite zivilgesellschaftliche Netzgemeinde mit vermeintlich unüberschaubaren Untiefen bleibt ein brauchbares Narrativ für einige wenige Player, eine potemkinsche Drohkulisse längst etablierter Granden. Wer will hier noch eine Rolle spielen, wenn diese längst verteilt wurde.“
Im Kern meint er: worüber Lobo, Johnny Haeusler oder Patricia schon so schön geschrieben haben, lohnt sich nicht zu schreiben. Ich kann mir vorstellen, dass das tatsächlich für viele „Kleine“ ein Beweggrund ist. Vor allem, wenn man seine eigene Stimme, seine eigenen Gedanken unterschätzt. Das ist nicht nötig! Nur weil man ein kleines Blog schreibt, heißt das nicht, dass dort nicht die klügeren Gedanken zu finden wären.
Deshalb will ich den Spies einmal herumdrehen. Warum schauen eigentlich die „Großen“ nicht gründlicher hin, bevor sie schreiben, vielleicht könnten auch sie sich mit einem Link, einer Empfehlung, einem Retweet begnügen. Das würde ihnen auch viel mehr Zeit verschaffen, andere wichtige Texte zu schreiben.
Kommentare
4 Antworten zu „Am liebsten schreiben Blogger doch über das Bloggen selbst“
Ich muss zugeben, dass ich nicht so *ganz* verstehe, worauf du hinaus willst, die Kritik aber, man (also auch ich) solle doch mal mehr „kleine“ Blogs verlinken, verstehe und akzeptiere ich.
Was das Gefühl angeht, ich hätte meinen Text „von oben herab“ geschrieben, die ja auch an anderer Stelle kam und die ich daher durchaus ernst nehme: Es tut mir leid, wenn das so rüberkommt, weil es nämlich nicht so gemeint ist. Ich stelle mich wirklich nicht über jemanden anderes, komme aber dennoch anscheinend manchmal arrogant rüber (ich halte das eher für sehr gesundes Selbstbewusstsein, weiß aber auch, dass die Grenzen da fließend sind). Das hat aber dann eher mit mir generell zu tun und nicht mit der Frage, wie viele Leute Spreeblick lesen. Ich bilde mir auf Spreeblick nichts ein, ich bin aber stolz drauf, egal, ob es viele oder wenige Leserinnen und Leser sind (und das ist wiederum immer eine Frage der Relation).
Ähm, was ich eigentlich sagen wollte: Wenn der Text „von oben herab“ erscheint, wie arrogant müssen dann erst die sehr viel älteren wirken, bei denen noch kaum jemand Spreeblick kannte? Will sagen: Meine Tonalität hat nichts damit zu tun, wie bekannt Spreeblick ist, sondern sie ist halt einfach meine Tonalität (und die kann man doof finden, na klar). Wenn überhaupt, bin ich in den letzten Jahren vorsichtiger geworden, weil man nämlich mit jedem längeren Text immer irgendjemandem auf die Füße tritt oder von jemandem falsch verstanden wird (Internet, Menschen, normal) und oft habe ich keinen Bock auf oder Zeit für endlose Debatten.
Danke für deine Antwort.
Ich fand es gar nicht arrogant, mir ist schon klar, dass Du es gut gemeint hast. Mit „von oben herab“ meinte ich vor allem, dass es sich für mich und andere, die deutlich seltener verlinkt oder geteilt werden, ein wenig altväterlich anfühlt, weil man uns nochmal erklären muss, wie das mit den Blogs so funktioniert. Auf der anderen Seite erwarten halt viele (wenn nicht öffentlich, doch in ihren Herzen ;)), dass ihr „Großen“ tatsächlich mütterlich und väterlich mit der Blogosphäre umgeht. Also tatsächlich so etwas wie den „Klerus“ der „Netzgemeinde“ bildet.
Ich würde mich tierisch freuen, wenn mehr bekannte und erfolgreiche Blogger sich ab und zu umdrehen, wie Du es tust. Trackbacks, Antworten wie diese und Blogempfehlungen sind aber leider nicht selbstverständlich.
Deshalb stimme ich ja mic p darin zu, dass es wohl notwendig ist, sich in der Peripherie neu zu vernetzen und nicht permanent auf die „Großen“ zu schauen. Schließlich müssen Größe und Qualität ja nicht immer korrelieren.
Den letzten Satz unterschreibe ich sofort und gebe außerdem zu, dass ich oft gar nicht weiß, ob ein Blog, auf das ich stoße, „klein“ oder „groß“ ist … im Bereich von Technik oder auch Mode haben viele neuere Blogs mehr Leser als Spreeblick, glaube ich. Ich versuche auch (wie wir alle, denke ich), Texte allein danach zu beurteilen, ob ich sie mag, nicht danach, ob das Blog klein, groß oder überhaupt ein Blog ist … und am Ende gehe ich auch nicht wirklich los und suche Blogs. Sondern ich suche gute Texte, Videos, Bilder.
Dass mein Text etwas „altväterlich“ rüberkommt, verstehe ich nach deinen Ausführungen, andererseits war ich wirklich überrascht davon, wie viele Blogs ihn kommentiert, getwittert oder verlinkt haben, denn eigentlich ging es mir ja weniger um die Bloggerinnen und Blogger (die das ganze Verlinkungsspiel ja kennen), als um die Leserinnen und Leser, die sich eher auf Facebook bewegen. Aber: Wieder was gelernt! Und gerade nach diesem Gespräch hier werde ich sicher selbst wieder verstärkt darauf achten, mich abseits der bekannten Blogs zu bewegen und diese natürlich bei tollen Funden auch zu verlinken. 🙂
Fast 4 Jahre alt, dae Artikel ist aber immer noch aktuell!