[Reupload] Wie hältst Du es mit dem Sterben?

Von April 2013 bis Februar 2017 sind viele Artikel von mir auf theologiestudierende.de erschienen. Im Rahmen des Projektes habe ich angefangen, meine Ostdeutschland-Kolumne “Unter Heiden” zu schreiben, die ich inzwischen höchst unregelmäßig in der Eule fortführe. Doch anders als die “Unter Heiden”-Artikel habe ich den Großteil meiner theologiestudierende.de-Artikel nicht gleichzeitig (oder mit Verzögerung) hier auf dem Blog gepostet. Nachdem das Gruppenblog vor einigen Wochen vom Netz gegangen ist, sind diese Artikel nun nicht mehr einfach online zu erreichen.

Das ist nicht schlimm. Eine Menge der Artikel sind “Moment mals”, also in der Reihe der Montagskommentare des Projekts erschienen. Oder “Lesenwerts”, kleine Vorgänger der #LaTdH, mit denen wir im Rahmen der sommerlichen Themenmonate zu “Krieg und Frieden” und “Islamischer Theologie” Lesetipps von anderswo zusammengetragen haben. Um einige Artikel ist es aber, finde ich, schade. Vor allem, weil ich noch heute mit Verlinkungen gerne auf sie zurückkomme. Man muss sich ja nicht ständig wiederholen.

Ein paar dieser Artikel, darunter die längeren Essays, werde ich gelegentlich und absolut unregelmäßig, wenn es mir passend erscheint, hier auf meinem Blog erneut hochladen. Und zwar nahezu unverändert zur ursprünglich veröffentlichten Version. Was auch heißt, dass seit Abfassung mehrere Jahre des Lernens und Schreibens vergangen sind. Alle Texte sind unzureichend, aber so ist das halt.


John William Waterhouse – Sleep and his Half-Brother Death (public domain)

Wie hältst Du es mit dem Sterben?

vom 20. Juni 2015

Friedrich Wilhelm Graf, emeritierter Professor für Systematische Theologie und Ethik an der LMU München, ist ein streitbarer Zeitgenosse. Mit sichtbarem Genuss geht er immer wieder daran, die bunten Seifenblasen kirchlich-öffentlicher Meinungen platzen zu lassen. Dabei schlägt er auch schon mal unter die Gürtellinie, was von Männern in seinem Alter fast schon erwartet werden kann. Mit so einem ist vielleicht nicht immer gut Kirschen essen, aber doch zu scherzen.

Im MERKUR – Ausgabe vom Mai diesen Jahres [2015] – meldet sich Graf in der Manier eines öffentlichen Theologen unter dem Titel „Apodiktische Ethik mit Lügen – Die deutschen Kirchen und der ärztlich assistierte Suizid“ mit dem Anliegen zu Wort, die recht eingleisig verlaufende Debatte um das richtige Sterben in Politik und Kirchen zu beleben. Und nicht wenige seiner, aus der selbstgewählten Perspektive des bürgerlich Linksliberalen und protestantischen Theologen zugleich formulierten, Einsprüche und Richtigstellungen wurden in der bisherigen Debatte tatsächlich bisher vermisst. (Sein Aufsatz steht noch bis Ende Juli zum kostenlosen Download bereit.)

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Rezension – “Leben dürfen – Leben müssen: Argumente gegen die Sterbehilfe” von Heinrich Bedford-Strohm

Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der EKD und Bischof in Bayern, hat bereits 2015 ein Buch zur Sterbehilfe vorgelegt. Meine Rezensionsarbeit daran ist etwas liegen geblieben: Auf theologiestudierende.de ist damals schon eine Rezension aus anderer Feder erschienen, der ich kontrovers nichts hinzusetzen wollte. Denn für das Buch und die gesellschaftliche Debatte dahinter gilt, jedenfalls für mich, dass ich Polemik da gerne raushalten will.

Was das Buch ist

Dafür gibt Bedford-Strohms Buch auch kaum Anlass. Kritikern der Sterbehilfe, welcher Form auch immer, werden seine guten Argumente gegen eine Liberalisierung nicht nur gefallen, vielleicht werden sie sie erstmals geordnet und klug aufgeschrieben finden. Für Sterbehilfe-Kritiker ist das Buch, auch vom Ton her, ein Lehrbuch. Dem ehemaligen Professor Bedford-Strohm merkt man im positiven Sinne an, dass er es gewohnt ist, nicht allein für Spezialisten zu schreiben bzw. zu sprechen.

Auch den Befürwortern einer Liberalisierung der Sterbehilfe dürfte es schwerfallen, dieses Buch grundweg falsch zu finden. Denn, trotz Untertitel und persönlicher Haltung, handelt es sich überhaupt nicht um eine Streitschrift gegen jedwede Entwicklung in der Sterbehilfedebatte. Bedford-Strohm führt – auch hier kommt der Lehrbuchcharakter des Buches zum Tragen – eben auch in jene Überzeugungen ein, denen er nicht zustimmt. Und zwar nicht nur in der Weise, die es ihm leicht macht, die gegenläufigen Meinungen abzukanzeln.

Bedford-Strohm referiert im Gegenteil die unterschiedlichen ethischen Zugänge respektvoll und jeweils daran interessiert, was aus der jeweiligen Richtung für die Debatte zu lernen ist.

Insofern kann die Lektüre dieses Buches jedem ans Herz gelegt werden, der sich erstmals in die Sterbehilfe-Debatte einlesen möchte und dabei gerne von berufener Seite, d.h. von einem profilierten öffentlichen Theologen, begleitet werden möchte.

Was das Buch nicht ist

Anders als der Untertitel vermuten lässt, ist das Buch keine Streitschrift für eine, gar die amtlich verordnete Sicht auf die Sterbehilfe, die sich sicher einige christliche Sterbehilfe-Gegner gerade von einem Ratsvorsitzenden wünschen würden. Diese Erwartungshaltung unterläuft Bedford-Strohm und bleibt sich als Wissenschaftler treu. Ich empfinde das als großen Vorteil, andere mögen den mangelnden Dogmatismus kritisieren. Mir ist ein Theologe und Kirchenmann lieber, der als sich selbst überprüfendes und darum vorsichtiges Subjekt auftritt, als einer, der Glaubenssätze einfach wiederkäut.

Es handelt sich allerdings trotz aller Abwägungen und Nachdenklichkeit auch nicht um ein akademisches Werk und auch nicht um ein Kompendium aller in der Debatte vorgelegten Standpunkte. Gelegentlich wünscht man sich, ist man mit der Sterbehilfe-Debatte vertraut, weiter differenzierte und herausfordernde Gedanken, wie sie zum Beispiel Friedrich Wilhelm Graf vorgetragen hat. (Darüber habe ich seinerzeit einen Essay auf theologiestudierende.de geschrieben.)

Fazit

Vor allem ist das Buch ein Appell für mehr Nachdenklichkeit und Sorgfalt im Umgang mit (scheinbar) einfachen Optionen der Sterbehilfe. Bedford-Strohm wirbt für ein begleitetes, würdevolles Sterben, ohne die schwierigen ethischen Konflikte am Lebensende aus dem Blick zu verlieren. Damit fordert er unsere Gesellschaft heraus, eine andere Kultur des Sterbens zu entwickeln.

PS: Der Verlag hat auf Youtube ein Gespräch Bedford-Strohms zum Buch zu Verfügung gestellt. Das ist doppelt gefärbt: Erstens, weil es natürlich in werbender Absicht des Verlags geschieht, und zweitens, weil sich Bedford-Strohm mit einer Pfarrerin seiner bayerischen Landeskirche unterhält. Dessen eingedenk aber ein spannendes Gespräch.

(Ich habe vom Verlag ein kostenloses Rezensionsexemplar erhalten.)

Leben dürfen – Leben müssen:
Argumente gegen die Sterbehilfe
Heinrich Bedford-Strohm
Kösel-Verlag
17,99 €