Mirjam singt – Predigt zum Singegottesdienst am 16. August 2015 in Neidhartshausen

Heute haben wir in Neidhartshausen einen Singegottesdienst gefeiert. Jeder Liturgieteil wurde von der Gemeinde gesungen, dazwischen haben wir die einzelnen Gottesdienstteile erklärt. In der Predigt habe ich das Lied Mirjams aus Exodus 15 aufgenommen.


I

Singt dem Herrn, denn hoch erhaben ist er; Ross und Reiter warf er ins Meer.

So singt sie – eine einzelne Frau aus dem Volk Israel, aus der Gruppe von Menschen, die durch das Rote Meer gezogen sind und den Ägyptern entkommen konnten.

Ihr Name ist Mirjam und sie singt ihr Lied. Ein Lied, das nicht ihres allein bleibt, sondern zum Lied für viele wird. Sie lassen sich von ihr anstecken, von dem, was sie bewegt und stimmen ein in ihr Lob, ihren Dank, in ihren Gesang zu Gott.

Warum beginnt gerade sie zu singen? Weil sie besonders musikalisch ist? Weil sie eine kräftige Stimme hat? Oder weil sie in diesem Moment einfach nicht anders kann, als das, was sie bewegt nach außen zu bringen – als Lied, als Musik, als Sprache die über Worte hinausgeht. Vielleicht ist sie einfach die Erste, die in diesem Moment nicht zu lange überlegt, ob ihr Lied jetzt angemessen ist, ob es gut klingen wird

II

Interessanter Weise fragt keiner der anderen: Mirjam, warum singst du jetzt? Mirjam, warum sollten wir einstimmen? Das Lied dieser Frau scheint bei den anderen etwas anzusprechen, das sie miteinander teilen. Es ist die Dankbarkeit für die gelungene Flucht, die Dankbarkeit für Gottes Dienst an diesen Menschen – nämlich sie zu bewahren. Vielleicht ist es auch ein Rest Angst vor den Verfolgern, gegen die die Menschen damit ansingen. So, wie wenn man im Dunkeln alleine unterwegs ist und sich Mut gegen den kleinen Grusel im Nacken ansingen will.

Wenn wir Musik machen oder Musik hören, dann passiert etwas mit uns. Das liegt nicht alleine daran, dass bestimmte Tonabstände, Harmoniefolgen oder Frequenzen gewisse Bereiche in unserem Gehirn ansteuern. Damit alleine lässt sich nicht erfassen und beschreiben, warum Musik uns berührt.

Wenn die ersten geheimnisvollen Töne einer Ouvertüre auf uns zukommen oder ein voller Schlussakkord so dicht in der Luft steht, dass wir uns kaum zu atmen trauen, dann passiert etwas mit uns. Dann lässt sich erahnen, erfühlen, dass Musik etwas enthält, was über sie hinausgeht, was aber auch schwer zu beschreiben ist.

Eigene Erinnerung, Sehnsucht, Hoffnung, Angst wird ein Teil von dem, was wir hören. Ob es nun ein schlichtes Kinderlied ist oder eine mächtige Komposition, es gibt Andockstellen, Berührungspunkte zwischen uns und der Musik.

Mirjams Lied ist eine kleine Melodie, nur wenige Worte. Es bringt aber etwas zur Sprache, das die Menschen, die einstimmen, mit Mirjam teilen. Ihr Lied kann die Menschen berühren und es bleibt nicht ihr Lied allein, sondern wird zum Lied für viele, zum Loblied vieler, die dankbar sind für Gottes Dienst an ihnen.

III

Und Mirjams Lied überschreitet die Grenzen des Volkes Israel, überschreitet die Grenzen von Generationen. Es wird auch für Komponisten unserer Zeit zur Inspiration. So auch für die Musik zum Film „Prince of Egypt“ – „Der Prinz von Ägypten“. Sie lässt Mirjam in ihrem Lied noch einmal zurückblicken, auf das was das Volk gemeinsam erlebt hat.  Sie singt davon, welche Geschichte Gott mit dem Volk geschrieben hat:

Da ist immer wieder die Frage: Hört Gott unser Gebet? Sieht Gott unsere Angst? Da ist die Ungewissheit und das Unverständnis, die Hoffnung – so zerbrechlich.

Und dann das überwältigende Erlebnis der Rettung, wundersam teilt sich das Meer – so die biblische Erzählung – und das Volk kann seinen Verfolgern entkommen. Alle Bedrängnis türmt sich noch einmal rechts und links von ihnen auf, sichtbar, deutlich! … kommt ihnen gefährlich nahe. Sie stehen mitten in der Gefährdung, es gibt keinen Weg drum herum, nur einen Weg hindurch und zwar gerade dann, als es am unmöglichsten, am unglaublichsten scheint.

Ein Wunder nennt es Mirjam in diesem Lied, ein Wunder, das das Herz so voll macht, dass sie es nicht erklären kann. Etwas Unerschütterliches, Unzerstörbares, Unerklärliches übermannt sie, ergreift sie, berührt sie und bleibt auf dem Weg durch die Gefahr, auf dem Weg durch den vermeintlich sicheren Tod.

Und dann ihr Lied: eine einfache Melodie mit wenigen Worten – ein Lied, das nicht ihr Lied alleine bleibt, sondern zum Lied für viele wird, zum Loblied derer, die dankbar sind für Gottes Dienst an ihnen.

Singen will ich dem Herrn, denn hoch erhaben ist er; Ross und Reiter warf er ins Meer.
Meine Stärke und mein Loblied ist der Herr, und er ward mein Heil;
Er ist mein Gott, ich will ihn preisen, der Gott meines Vaters, ich will ihn erheben.

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