Bericht Frühjahr 2023

Das Bohei um den neuen Stuckrad-Barre-Roman hat mich diese Woche bewogen, ein Buch von Rainald Goetz zu bestellen, sogleich zu lesen, mich von seinem „loslabern“ durchaus auch mitreißen, jedenfalls amüsieren zu lassen. Die Regeln der klassischen Rezension, die dieser Text nicht ist, geben vor, mit einer Inhaltsangabe oder einer gefälligen Zusammenfassung des Verhandelten aufzuwarten, „loslabern“ soll ein Bericht des Herbst 2008 sein, wir erinnern uns: Bankenkrise.

Als Krisenbewältigungsroman in Gedankenfetzen, Poesie und bissigen Schilderungen, mit mir kann man es ja machen, ist das Buch in unseren heutigen multiplen Krisen eine wertvolle Lektüre, die umso unterhaltsamer ist, weil sich ja, außer ein paar Regulierungen im Bankensektor, einer sehr aufwendigen Stützung von Banken, Staaten, Haushalten, im Nachgang der als groß empfundenen Bankenkrise, Lehman Brothers, wir erinnern uns, nichts geändert hat, die Welt also nach nur kurzer Zeit absehbar in die nächste und sowie von einer aktuellen in eine weitere, kommende Krise hineinrauscht.

„Wenn also Krise ist“, schreibt Goetz, „wenn das so ist, dass die Welt Kopf steht, täglich neu, dann will auch ich, mein lieber Lenz, den Kopf nicht länger in den Bottich oder in die Erdbeerbeete, den Harz, den harten, oder in die Ilmenau, die milde, stecken oder hängen lassen, sondern ihn erheben und dir und dem Rest der Welt ins Gesicht der Herrlichkeit des Wahnsinns blicken, den wir hier die Gegenwarten dieser Tage heißen dürfen“.

Das ist, finde ich doch, zweifelsohne schön geschrieben und von solchen wunderbaren Sätzen, auf die man von alleine sicher nicht gekommen wäre, die aber, wenn man sie so liest, unmittelbar Sinn ergeben, sodass man sich sagt: Ja, genauso, oder genau so, kann, ja muss man das sagen, gibt es in dem Buch noch eine Reihe weiterer, die Zeilen dazwischen sind auch nicht verschwendet. Alles in allem eignet dem Buch eine herrliche, so würde es Rainald Goetz, der Popautor der 2000er Jahre, eventuell sagen, Unfertigkeit, die in diesen unseren Tagen der maximalen Überzeugtheit von den eigenen Überzeugungen wohltuend mundet.

Wenn Sie sich, liebe Leser:in, wie ich auch, in den digitalen Lebensströmen tummeln, wird ihnen das Desaster des Elon Musk mit der Mikroblogging-Plattform Twitter, dem Marktplatz des Internets, nicht entgangen sein, entweder im Modus der teilnehmenden Beobachtung oder der abständigen Verwunderung oder in einem anderen, vielleicht gar belustigten Gemütszustand. Der Eigentümer, dem die Plattform aber eigentlich nicht gehört, weil er den Kauf, wie es sich gehört, finanziert hat, wie man so schön sagt, das heißt durch Kredit und quere Liquidität ermöglichte, führt sich nicht nur wie ein zehnjähriger Bengel mit Lizenz für unbotmäßige Scherze auf, die man im Internet gewohnheitsmäßig Troll nennt, wie die Sagengestalt, aber halt in echt, sondern ermöglicht es den sog. Blaubehakten, also zahlenden, aber nicht verifizierten, nicht-beglaubigten Nutzer:innen „seiner“ Plattform, ihre Gedanken nicht, wie zuvor unter allen Teilnehmer:innen des Spiels verabredet, in den engen Grenzen von 280 Zeichen und einer Reihe von Tweets, die zu einem sog. Thread, Faden, miteinander verbunden sind, äußern zu müssen, Twitter Blue Abonnenten dürfen bis zu 4000 Zeichen verwenden, das macht, wie man nun alltäglich beobachten kann, den ganzen Unterschied zwischen Genie und Wahnsinn aus, dem Forschende seit Jahrhunderten auf die Schliche kommen wollen. Twitter war schon immer die Plattform der Rechthaber und Rechthabenden, aber sie hatte Stil.

Musk verhunzt nun also auch die letzte große Publikumsmaschine des Netzes, die nicht schon vollständig von angehobenem, zielgerichtetem Gelaber in Videos, Sound und Texten überrannt war, auf der zwischen dem ganzen Zeug, das natürlich auch vor der Übernahme durch den Weltraum- und E-Auto-Troll schon ein Überangebot von Content, eine Beballerung mit Ansprüchen, Forderungen, Aufmerksammachungen darstellte, so etwas wie ein normales oder eben dezidiert überhaupt ganz unnormales, weil zielloses, quatschiges Loslabern möglich war.

Mit sorgenvollem Blick wende ich also denselben von der Heimatplattform ab in Richtung der selbstverkündeten Qualitätspresse, hin zum Bücherschrank, hin auch zu jenen Magazinen, in denen verhandelt wird, was Religion und Gesellschaft beschäftigt oder doch zumindest beschäftigen sollte, bin aber sogleich geschockt und auch gehemmt, ob der schieren Masse der mir dort engegenschwappenden Buchstaben, auch wenn sie in einer schönen Schrift dargeboten werden, der Font ist wohl gewählt, der Fond vermag nicht immer zu schmecken, vor allem, wenn die Autor:innen ihr eigenes Süppchen kochen. Wo? Wo bin ich da als Leser? Das frage ich mich dann schon. Schreiben ist ja auch Denken und sich beim Denken zuschauen lassen, aber ein wenig fertiger mit den eigenen Gedanken könnte man schon sein, bevor man Leuten so riesige Riemen zu irgendwelchen, womöglich vor allem den eigenen, Partikularproblemen zumutet.

Ich habe vor Kurzem eine Akademieveranstaltung auf YouTube nachvollzogen, wie man jetzt so schön zum Videogucken sagt, in der es um den Synodalen Weg der katholischen Kirche ging, auf dem Podium saßen die Chefin des Wegegangs, Irme Stetter-Karp, und eine profilierte Beobachterin, Christiane Florin vom Deutschlandfunk, aber zunächst, statt an das Podium zu übergeben, auf das ich mich ankündigungsgemäß freute, so wird es ja auch den dort tatsächlich im Fleische anwesenden Gästen der Veranstaltung gegangen sein, meine ich, sprachen zwei Herren, der eine war der sog. Gastgeber, der andere hatte wohl das Geld oder war anderweitig vom Fach, fast eine halbe Stunde sprachen die Beiden und ich war sehr dankbar, dass ich die Veranstaltung eben nur auf YouTube nachvollzog, wie man jetzt so schön das auf dem heimischen Sofa Nach-Schauen nennt, so dass ich die beiden Herren, nachdem ich ihnen je eine Bewährungsprobe von wenigen Minuten zugestanden hatte, eiskalt überspulen konnte, dann war ich in der Gesprächsrunde mit den zwei Frauen angekommen, deretwegen ich ja auf das Video geklickt hatte, einer Empfehlung auf Twitter folgend, und das Gespräch der Beiden wäre sicherlich noch spannender gewesen, hätte nicht auch diesen Dialog, den sie selbstredend gut auch miteinander ohne Hilfe eines Dritten hätten führen können, ein weiterer Mann mit überlangen, sich im Quadrat quälenden Fragen unter-brechend aufgehalten.

Dann habe ich mich, es folgt jetzt ein schamloser Werbeblock, mit Dorothee Sölle befasst, weil wir bei der Eule, gemeinsam mit der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt, die ihren wirklich schönen Sitz in der EKD-Hauptstadt Lutherstadt Wittenberg einnimmt, ein Projekt machen, das sich mit Sölle & dem Osten beschäftigt. Ich habe also die Augen und Ohren offen gehalten, online und offline, auch in mein Bücherregal geschaut, in dem aber außer der „Stellvertretung“ und „Lieben und Arbeiten“ so auf Anhieb gar nix von Sölle zu finden war, so dass ich diesem Mangelzustand in geordneter, aber fiskalisch sensibler Weise Abhilfe schaffen musste, vor allem aber habe ich mit Menschen gesprochen, die Sölle erlebt haben oder sie erforschen, und das war und ist alles sehr spannend, aber nicht in dem Sinne, wie es seit einigen Jahren in der evangelischen Kirche gemeint wird: „spannend“ heißt da, hm hm ja ja, aber daraus wird eh nichts, sondern wirklich interessant und zum Teil auch bewegend.

Und da sagte mir Sarah Jäger, die Juniorprofessorin für Systematische Theologie/Ethik in Jena an der Friedrich-Schiller-Universität ist, in dem kalten Seminarraum mit der Baustelle vor den Fenstern, dass sie an Sölle schon, trotz aller Wertschätzung für ihre Ernsthaftigkeit, die wir Enkel uns bei ihr abschauen dürften, ihre überbordende Entschiedenheit in politischen Sachfragen kritisiere, die mir bei meinen minimalen Re- und Erstlektüren erst gar nicht aufgefallen war, die ich aber dann im Nachhinein auch in „Lieben und arbeiten“ in einigen Passagen gefunden habe, die man heute und wenn man ehrlich ist, wohl ein wenig differenzierter anginge, die man jedenfalls heute so nicht durchhalten müsse, meinte Sarah Jäger, weil eine fragendere Haltung, die sich nicht immer schon sicher ist, sowieso auch glaubwürdiger sei. Und da gebe ich ihr vollkommen Recht.

Dann habe ich mich auch an mich selbst erinnert, wie ich den Digitalisierer:innen in der Evangelischen Kirche im Osten vor ein paar Wochen eine dem Vernehmen nach gefühlige Erbauungspredigt gehalten habe, die ungefähr so ging: Man solle doch auch mal eskalieren, jedenfalls sich nicht so haben, nicht so besorgt sein, mehr Fragen stellen, Sie merken schon, was ich meine, woraufhin ich den Abendbrottisch deckte, mich mit den Meinigen an denselben setzte, Alle Guten Gaben, alles was wir haben, kommt, oh Gott, von Dir, wir danken Dir dafür, betete und alsdann beherzt zulangte, denn: Die Wahrheit ist immer konkret.


Das Foto zeigt das Kunstprojekt “Gaia” in der Frauenkirche Dresden.

Vielen Dank noch einmal an Lea für die schweizerische Schoki.

Rezension – “Leben dürfen – Leben müssen: Argumente gegen die Sterbehilfe” von Heinrich Bedford-Strohm

Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der EKD und Bischof in Bayern, hat bereits 2015 ein Buch zur Sterbehilfe vorgelegt. Meine Rezensionsarbeit daran ist etwas liegen geblieben: Auf theologiestudierende.de ist damals schon eine Rezension aus anderer Feder erschienen, der ich kontrovers nichts hinzusetzen wollte. Denn für das Buch und die gesellschaftliche Debatte dahinter gilt, jedenfalls für mich, dass ich Polemik da gerne raushalten will.

Was das Buch ist

Dafür gibt Bedford-Strohms Buch auch kaum Anlass. Kritikern der Sterbehilfe, welcher Form auch immer, werden seine guten Argumente gegen eine Liberalisierung nicht nur gefallen, vielleicht werden sie sie erstmals geordnet und klug aufgeschrieben finden. Für Sterbehilfe-Kritiker ist das Buch, auch vom Ton her, ein Lehrbuch. Dem ehemaligen Professor Bedford-Strohm merkt man im positiven Sinne an, dass er es gewohnt ist, nicht allein für Spezialisten zu schreiben bzw. zu sprechen.

Auch den Befürwortern einer Liberalisierung der Sterbehilfe dürfte es schwerfallen, dieses Buch grundweg falsch zu finden. Denn, trotz Untertitel und persönlicher Haltung, handelt es sich überhaupt nicht um eine Streitschrift gegen jedwede Entwicklung in der Sterbehilfedebatte. Bedford-Strohm führt – auch hier kommt der Lehrbuchcharakter des Buches zum Tragen – eben auch in jene Überzeugungen ein, denen er nicht zustimmt. Und zwar nicht nur in der Weise, die es ihm leicht macht, die gegenläufigen Meinungen abzukanzeln.

Bedford-Strohm referiert im Gegenteil die unterschiedlichen ethischen Zugänge respektvoll und jeweils daran interessiert, was aus der jeweiligen Richtung für die Debatte zu lernen ist.

Insofern kann die Lektüre dieses Buches jedem ans Herz gelegt werden, der sich erstmals in die Sterbehilfe-Debatte einlesen möchte und dabei gerne von berufener Seite, d.h. von einem profilierten öffentlichen Theologen, begleitet werden möchte.

Was das Buch nicht ist

Anders als der Untertitel vermuten lässt, ist das Buch keine Streitschrift für eine, gar die amtlich verordnete Sicht auf die Sterbehilfe, die sich sicher einige christliche Sterbehilfe-Gegner gerade von einem Ratsvorsitzenden wünschen würden. Diese Erwartungshaltung unterläuft Bedford-Strohm und bleibt sich als Wissenschaftler treu. Ich empfinde das als großen Vorteil, andere mögen den mangelnden Dogmatismus kritisieren. Mir ist ein Theologe und Kirchenmann lieber, der als sich selbst überprüfendes und darum vorsichtiges Subjekt auftritt, als einer, der Glaubenssätze einfach wiederkäut.

Es handelt sich allerdings trotz aller Abwägungen und Nachdenklichkeit auch nicht um ein akademisches Werk und auch nicht um ein Kompendium aller in der Debatte vorgelegten Standpunkte. Gelegentlich wünscht man sich, ist man mit der Sterbehilfe-Debatte vertraut, weiter differenzierte und herausfordernde Gedanken, wie sie zum Beispiel Friedrich Wilhelm Graf vorgetragen hat. (Darüber habe ich seinerzeit einen Essay auf theologiestudierende.de geschrieben.)

Fazit

Vor allem ist das Buch ein Appell für mehr Nachdenklichkeit und Sorgfalt im Umgang mit (scheinbar) einfachen Optionen der Sterbehilfe. Bedford-Strohm wirbt für ein begleitetes, würdevolles Sterben, ohne die schwierigen ethischen Konflikte am Lebensende aus dem Blick zu verlieren. Damit fordert er unsere Gesellschaft heraus, eine andere Kultur des Sterbens zu entwickeln.

PS: Der Verlag hat auf Youtube ein Gespräch Bedford-Strohms zum Buch zu Verfügung gestellt. Das ist doppelt gefärbt: Erstens, weil es natürlich in werbender Absicht des Verlags geschieht, und zweitens, weil sich Bedford-Strohm mit einer Pfarrerin seiner bayerischen Landeskirche unterhält. Dessen eingedenk aber ein spannendes Gespräch.

(Ich habe vom Verlag ein kostenloses Rezensionsexemplar erhalten.)

Leben dürfen – Leben müssen:
Argumente gegen die Sterbehilfe
Heinrich Bedford-Strohm
Kösel-Verlag
17,99 €

Immendorff, Peymann – Abgesang auf einen Künstler

In den allerspätesten Abendstunden läuft sogar im Fernsehen sehenswertes Programm. Noch am Nachmittag wird man mit Trödelfernsehen, Kochsendungen und 50er-Jahre-Schinken abgespeist. Hat sich die Sonne und haben sich die Augenlider der Hauptzielgruppe gesenkt, läuft auf einmal Kultur.

So habe ich gestern Abend zufällig in eine feine Dokumentation über Jörg Immendorff hineingezappt, den nun schon vor zehn Jahren verstorbenen Künstler. Die Doku begleitet Immendorff, bereits von der Nervenkrankheit ALS eingeschränkt und gezeichnet, bei der Arbeit im Atelier und auch zu einer Seminarsitzung in die Kunsthochschule, während der er die Werke seiner Studenten recht unbarmherzig aburteilt.

Die gleiche Härte auf sich selbst als schaffenden Künstler gewandt, sorgt für eine immer weiter fortschreitende Kunstproduktion, die allein durch die Hilfe von Assistenten möglich ist. Sie sind seine Hände und er bindet sie an seinen Willen. Unwidersprochen und unwiderstehlich, darf man sagen.

Anschließend in die ARD gezappt: Deutschland, deine Künstler – Claus Peymann. Der Kontrast ist riesig. Da der geschlagene, ernsthafte, humorbefreite Immendorff, hier der von sich und seiner Welt begeisterte und eingenommene Peymann. Der eine, Peymann, 1937 geboren, erfreut sich scheinbar bester Gesundheit und Tatenlust. Der andere, Immendorff, 1945 geboren, seit zehn Jahren tot und dem Vergessen nicht entzogen.

Beide Teil einer Generation von Kunstschaffenden, zu jung um während des Nationalsozialismus Schuld auf sich geladen zu haben, Teil des Projekts einer anderen Republik. Peymanns Widerstand gilt immer noch Adenauerdeutschland. Und Immendorff ist das Adenauer-Porträt eines Studenten nicht nur der Machart wegen zuwider, schon die Motivwahl gibt ihm zu denken.

Nach 45 Minuten Doku hat man wenig Neues über Peymann gelernt. Nichts erfahren, das man nicht in den Feuilletons und bei Harald Schmidt schon hundertfach gelesen, gehört oder gesehen hätte. Die Bildsprache der Deutschland, deine Künstler-Reihe gibt überraschende Momente nur selten her. Auch diese Ausgabe kommt konventionell erzählt, etwas bieder und allzu ehrerbietig daher. Es ist der Reihe und dieser Doku an der Herstellung eines gefilmten Pantheons deutscher Künstler gelegen, das Ergebnis darum wenig überraschend. Die Frage bleibt offen, welchem Künstler man so gerecht wird? Peymann sicher nicht.

Es ist schon hübsch anzusehen, wie Peymann durch das Burgtheater hetzt, hier und da Personal grüßend bekennt, sich nach wie vor im ausladenden Haus zu verirren. Schließlich angekommen am eigenen Porträt, fläzt er sich auf die unter dem Bild stehende Chaiselongue, natürlich kokett samt beschuhten Füßen. Sattsam bekannt ist diese Peymannsche Inszenierung des eigenen Rebellentums, inklusive Blick in den Kleiderschrank, trotzdem und die Kamera geht ihr vollständig auf den Leim.

Zur Ehrerbietung gehört selbstverständlich auch die Schilderung der herausfordernden Probenarbeit. Stellvertretend kommt der Hauptdarsteller von Peymanns letzter Berliner Inszenierung Prinz Friedrich von Homburg zu Wort, der tief beeindruckt davon berichten darf, dass er Peymann während einer Probe sogar einmal angebrüllt hätte. Gähn.

Zum Schluss wird Peymann gestattet, seine nach wie vor bestehende Differenz zum Berliner Establishment zu bekennen. Zwar wären sie alle da, sind alle in seine Inszenierungen gelaufen, aber, nein, dazu gehören würde er natürlich nicht. Das ist dann schon fast verschämt. Immendorff bekannte sich im wohltuenden Kontrast zu solcher Attitüde dazu, von der Aufmerksamkeit der Mächtigen geschmeichelt zu sein. Allerdings hatte er es auch mit dem Kanzler Schröder zu tun, nicht mit der von Peymann als kühl beschriebenen Angela Merkel.

Jedenfalls gelingt Peymann diese Regiearbeit ganz so, wie er sich das wohl gedacht hat, was erheblich zur Langeweile der Dokumentation beiträgt. Seinen ausgestellten Tatendurst und die augenscheinliche Eile, der er sich aussetzt, nimmt man ihm jedenfalls nicht ab. Die Dringlichkeit Immendorffs, die sich aus dem nahenden, sicheren Tod ergibt, kommt ohne Eile aus. Da wird gründlich weiter gearbeitet, als ob es kein Ende gäbe. Es ist Paradox, aber in dieser Dokumentationsnacht wird dem Lebendigen von beiden der Abgesang gegeben.

Rezension – “Die Tage, die ich mit Gott verbrachte” von Axel Hacke

Axel Hacke schreibt von Berufs wegen gut, sehr gut. Vielleicht handelt es sich bei ihm um einen der letzten Großschreiber deutscher Provenienz. Und man darf sagen, auch Prominenz. Axel Hacke ist – ganz ohne ironischen Unterton – einer der Autoren, dem man zutraut, alles schreiben zu können. Vor allem aber schreibt er kurze Kolumnen für die Süddeutsche Zeitung und das SZ-Magazin, die auch in zahlreichen Buchveröffentlichungen vorliegen.

Es ist nur folgerichtig, dass ein Autor vom Format Hackes sich irgendwann aufmacht, ein Evangelium zu schreiben. Dieses liegt nun in Form der Geschichte “Die Tage, die ich mit Gott verbrachte” vor. In ihr macht sich das Alter Ego des Autors – aus seinen Kolumnen hinlänglich bekannt, jedoch auch für den neuen Leser sofort heimelig – mit Gott auf den Weg durch München. „Rezension – “Die Tage, die ich mit Gott verbrachte” von Axel Hacke“ weiterlesen