Was soll(t)en wir jetzt sagen? – Was sollte die Kirche jetzt sagen?

Diesen Vortrag habe ich am 18. November 2023 bei der Fachtagung Friedensethik “20 Monate Krieg in der Ukraine” in Halle (Saale) gehalten. Die Tagung wurde vom Reformierten Kirchenkreis der EKM in Zusammenarbeit mit dem Lothar-Kreyssig-Ökumenezentrum und der Theologischen Fakultät der MLU Halle-Wittenberg durchgeführt.

Für die Veröffentlichung auf dem Blog habe ich den Text ein wenig zusammengekürzt, vor allem in der Einführung, die doch stark kontextuell auf das Vortragssetting zugeschnitten war. Die Ausführungen zum friedensethischen Diskurs sind unverändert. Ich habe Links zu den erwähnten Texten und Reden im Fließtext ergänzt.


Meine sehr verehrten Damen und Herren,

vielen Dank für die Einladung, die ich sehr gerne angenommen habe. „Theologe und Christ“ sind die „Erinnerungen und Bekenntnisse“ des großen Hallenser Theologieprofessors Martin Kähler überschrieben. Das wichtigste Wort in diesem Titel ist, wenn ich mich richtig erinnere, das „und“. Sie haben mich eingeladen, um „eine journalistische Perspektive auf die Rolle der Kirchen“ zu Ihrem Tagungsthema einzuholen. Ich bin Journalist und Christ oder Christ und Journalist, mindestens jedenfalls, neben anderen Selbst- und Fremdzuschreibungen.

Ich befasse mich mit der aktuellen Kirchenpolitik im deutschsprachigen Raum. Meine Schwerpunktthemen sind die Digitalisierung in den Kirchen, Kirche und Rechtsextremismus und sexualisierte Gewalt und anderer Missbrauch in der Evangelischen Kirche. Als Redakteur des Magazins für Kirche, Politik und Kultur „Die Eule“ befasse ich mich zwangsläufig auch mit weiteren gesellschaftlichen und politischen Themen, also beispielsweise auch mit Sozial- und Gesellschaftspolitik, der Religionspolitik im engeren Sinne, dem Islam in Deutschland, der Klimakrise und aktuellen Kriegen .

Am 25. Februar 2022 stiegen wir in unserem kleinen Online-Magazin in die Berichterstattung zum Ukraine-Krieg ein mit einem Podcast, den ich noch am Abend des 24. Februars mit der katholischen Theologin und Ostkirchenexpertin Regina Elsner aufgenommen hatte. Darin befragte ich sie nach der Rolle der Kirchen im Konflikt, der am Morgen desselben Tages erneut zu einem akuten Krieg geworden war. Seitdem sind insgesamt 58 Beiträge zum Ukraine-Krieg in der Eule erschienen. Davon sind 26 Ausgaben unseres wöchentlichen Newsletters „Links am Tag des Herrn“, in dem wir auf Inhalte anderer Medien hinweisen und diese kritisch einordnen. Mit Regina Elsner habe ich im Dezember 2022 erneut für unseren Podcast gesprochen. Ihre scharfe Kritik an der Religionspolitik der Regierung Selenskyj erschien auch in schriftlicher Form. Außerdem führten wir Interviews mit der jungen ukrainischen Kirchenmusikerin Dariia Lytvishko, dem ehemaligen Pastor der evangelisch-lutherischen St. Katharinenkirche in Kiew, Ralf Haska, mit Diakonie-Präsident Ulrich Lilie und ein weiteres Podcast-Gespräch mit Judith Königsdörfer vom Lothar-Kreyssig-Ökumenezentrum und damals noch im Zentralausschuss des Ökumenischen Rates der Kirchen.

Die junge ukrainische Journalistin Maria Karapata berichtete für uns vom Alltag des Krieges in Kiew. Auch im Gespräch über Dorothee Sölle mit der Jenenser Systematikerin Sarah Jäger ging es um den Ukraine-Krieg. Es lässt sich als Interview im Magazin finden und auf YouTube als Video im Rahmen unseres Projekts „WIDERSTAND! Dorothee Sölle und der Osten“, das wir in Partnerschaft mit der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt in diesem Jahr durchführen.

Besonders möchte ich Sie auf die friedensethischen Interventionen von Michael Haspel und des Mennoniten-Pastors Benjamin Isaak-Krauß in der “Eule” hinweisen, die im März 2022 erschienen sind, und an Aktualität nichts eingebüßt haben. Wenn Sie dann noch über den ein oder anderen Artikel von mir über den friedensethischen Diskurs oder meine flammende Verteidigung der aktuellen EKD-Ratsvorsitzenden anlässlich ihrer Reformationstagspredigt 2022, oder vor allem die Berichte über die schwierige Ökumene mit dem Moskauer Patriarchat (hier, hier & hier) stolpern, wäre ich hoch erfreut. Hier endet der Werbeblock.

Allerdings handelte es sich bei diesem Überblick nicht allein um Werbung, sondern auch um ein inhaltliches Statement: Wer Konflikte wie den Ukraine-Krieg verstehen will, muss auf die Expertise und die Erfahrungen zahlreicher Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven und Meinungen zurückgreifen. Das dauert und macht Mühe. Konfliktverständnis bedarf der diskursiven Gruppenarbeit und muss reifen. Das trifft auf alle Akteur:innen zu, auf Privatleute wie auf Kirchenleitende, auf Theolog:innen wie auf Journalist:innen.

Was ich als Journalist kommuniziere, sollte nicht einfach ziemlich sicher richtig sein, es muss stimmen. Sonst setze ich meine Glaubwürdigkeit aufs Spiel. Die aus meiner Perspektive wichtigsten Werkzeuge eines Journalisten sind: 1. Glaubwürdigkeit, 2. Neugier, 3. Expertise zu jenen Themen, zu denen ich mich äußere, und 4. das kreative Vermögen, Ausdrucksformen zu finden, die Leser:innen, Hörer:innen oder Zuschauer:innen gut verstehen können.

Im Werkzeugkasten einer Theologin, die sich in aktuelle Debatten einschaltet, könnten sich befinden: 1) religionshermeneutische Expertise 2) eine umfassende historische Orientierung 3) Textkompetenz 4) ethische Urteilskraft im Horizont der eigenen religiösen Tradition.

Was aber findet sich im Werkzeugkasten einer Christ:in, die sich mit Kriegen und Krisen konfrontiert sieht? Haben Christen überhaupt etwas, sogar etwas Spezifisches, im Gepäck, das bei der Bearbeitung einer Krise wie dem Ukraine-Krieg helfen kann?

Als Journalist und Christ muss ich sie leider enttäuschen. Ich kann Ihnen die mir gestellten Fragen nicht beantworten: Was soll(t)en wir jetzt sagen? Was sollte die Kirche jetzt sagen? Ich bin für die Beantwortung dieser Fragen weder mandatiert noch mit der erforderlichen Expertise in friedensethischen, ökumenischen oder sicherheitspolitischen Fragen ausgestattet. Was ich Ihnen heute anbieten kann, ist meine journalistische Perspektive auf drei Problemlagen der kirchlichen Debatten im Kontext des Ukraine-Krieges – und zum Schluss eine Ermutigung.

1) Sprecherpositionen klären

Bis hierhin habe ich eigentlich nichts anderes versucht, als meine eigene Sprecherposition zu klären. Nicht nur für mich selbst, sondern coram publico, vor aller Welt. Das lege ich Ihnen und den kirchlichen Akteur:innen für die weitere Debatte ans Herz.

In der Evangelischen Kirche ist viel kaputt gegangen und ihr Bild in der Öffentlichkeit hat Schaden genommen, weil es an klaren Sprecherpositionierungen im Kontext der Auseinandersetzung zum Ukraine-Krieg gefehlt hat – und zum Teil bis heute fehlt. Das hat systemische Gründe, die viel gerühmte evangelische Vielfalt gehört sicher dazu, aber gelegentlich ist es einfach auch kommunikatives Unvermögen.

Im Falle des Ukraine-Krieges finden Stellungnahmen von Papst Franziskus ebenso Gehör wie die Meinung der Theologin und damaligen BILD-am-Sonntag Kolumnistin Margot Käßmann. Vor allem aber die Kriegspropaganda des Moskauer Patriarchen Kyrill und seiner Russisch-Orthodoxen Kirche und die religiösen Geschichtsdeutungen Vladimir Putins.

Sie werden der Verantwortungsgemeinschaft der Christen im Allgemeinen zugeordnet. Kirchen und Christen werden für Äußerungen und das Handeln anderer Menschen in Mithaftung genommen, die sich als Christen in der Diskussion und im konkreten Kriegshandeln positionieren. Zum Beispiel mit der Segnung von Panzern. Kommunikativ befinden sich die Kirchen also in der Bringschuld, in der Defensive, in Rückenlage. Von ihnen wird mindestens eine glaubwürdige Distanzierung von der Kriegspropaganda und vom Gottesdienst feiernden russischen Präsidenten erwartet.

Weil Kriegszeiten nun einmal Zeiten extremer Polarisierung sind und Medien ihren Eigengesetzlichkeiten folgen, werden die Distanzierungsforderungen heftiger und verfehlen durchaus gelegentlich die richtigen Adressaten. Sie finden statt in unserer zunehmend säkularisierten und auch religiös pluralen Gesellschaft und werden deutlich weniger durch Religionskompetenz in den Medien begleitet als noch vor wenigen Jahren.

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Bericht Frühjahr 2023

Das Bohei um den neuen Stuckrad-Barre-Roman hat mich diese Woche bewogen, ein Buch von Rainald Goetz zu bestellen, sogleich zu lesen, mich von seinem „loslabern“ durchaus auch mitreißen, jedenfalls amüsieren zu lassen. Die Regeln der klassischen Rezension, die dieser Text nicht ist, geben vor, mit einer Inhaltsangabe oder einer gefälligen Zusammenfassung des Verhandelten aufzuwarten, „loslabern“ soll ein Bericht des Herbst 2008 sein, wir erinnern uns: Bankenkrise.

Als Krisenbewältigungsroman in Gedankenfetzen, Poesie und bissigen Schilderungen, mit mir kann man es ja machen, ist das Buch in unseren heutigen multiplen Krisen eine wertvolle Lektüre, die umso unterhaltsamer ist, weil sich ja, außer ein paar Regulierungen im Bankensektor, einer sehr aufwendigen Stützung von Banken, Staaten, Haushalten, im Nachgang der als groß empfundenen Bankenkrise, Lehman Brothers, wir erinnern uns, nichts geändert hat, die Welt also nach nur kurzer Zeit absehbar in die nächste und sowie von einer aktuellen in eine weitere, kommende Krise hineinrauscht.

„Wenn also Krise ist“, schreibt Goetz, „wenn das so ist, dass die Welt Kopf steht, täglich neu, dann will auch ich, mein lieber Lenz, den Kopf nicht länger in den Bottich oder in die Erdbeerbeete, den Harz, den harten, oder in die Ilmenau, die milde, stecken oder hängen lassen, sondern ihn erheben und dir und dem Rest der Welt ins Gesicht der Herrlichkeit des Wahnsinns blicken, den wir hier die Gegenwarten dieser Tage heißen dürfen“.

Das ist, finde ich doch, zweifelsohne schön geschrieben und von solchen wunderbaren Sätzen, auf die man von alleine sicher nicht gekommen wäre, die aber, wenn man sie so liest, unmittelbar Sinn ergeben, sodass man sich sagt: Ja, genauso, oder genau so, kann, ja muss man das sagen, gibt es in dem Buch noch eine Reihe weiterer, die Zeilen dazwischen sind auch nicht verschwendet. Alles in allem eignet dem Buch eine herrliche, so würde es Rainald Goetz, der Popautor der 2000er Jahre, eventuell sagen, Unfertigkeit, die in diesen unseren Tagen der maximalen Überzeugtheit von den eigenen Überzeugungen wohltuend mundet.

Wenn Sie sich, liebe Leser:in, wie ich auch, in den digitalen Lebensströmen tummeln, wird ihnen das Desaster des Elon Musk mit der Mikroblogging-Plattform Twitter, dem Marktplatz des Internets, nicht entgangen sein, entweder im Modus der teilnehmenden Beobachtung oder der abständigen Verwunderung oder in einem anderen, vielleicht gar belustigten Gemütszustand. Der Eigentümer, dem die Plattform aber eigentlich nicht gehört, weil er den Kauf, wie es sich gehört, finanziert hat, wie man so schön sagt, das heißt durch Kredit und quere Liquidität ermöglichte, führt sich nicht nur wie ein zehnjähriger Bengel mit Lizenz für unbotmäßige Scherze auf, die man im Internet gewohnheitsmäßig Troll nennt, wie die Sagengestalt, aber halt in echt, sondern ermöglicht es den sog. Blaubehakten, also zahlenden, aber nicht verifizierten, nicht-beglaubigten Nutzer:innen „seiner“ Plattform, ihre Gedanken nicht, wie zuvor unter allen Teilnehmer:innen des Spiels verabredet, in den engen Grenzen von 280 Zeichen und einer Reihe von Tweets, die zu einem sog. Thread, Faden, miteinander verbunden sind, äußern zu müssen, Twitter Blue Abonnenten dürfen bis zu 4000 Zeichen verwenden, das macht, wie man nun alltäglich beobachten kann, den ganzen Unterschied zwischen Genie und Wahnsinn aus, dem Forschende seit Jahrhunderten auf die Schliche kommen wollen. Twitter war schon immer die Plattform der Rechthaber und Rechthabenden, aber sie hatte Stil.

Musk verhunzt nun also auch die letzte große Publikumsmaschine des Netzes, die nicht schon vollständig von angehobenem, zielgerichtetem Gelaber in Videos, Sound und Texten überrannt war, auf der zwischen dem ganzen Zeug, das natürlich auch vor der Übernahme durch den Weltraum- und E-Auto-Troll schon ein Überangebot von Content, eine Beballerung mit Ansprüchen, Forderungen, Aufmerksammachungen darstellte, so etwas wie ein normales oder eben dezidiert überhaupt ganz unnormales, weil zielloses, quatschiges Loslabern möglich war.

Mit sorgenvollem Blick wende ich also denselben von der Heimatplattform ab in Richtung der selbstverkündeten Qualitätspresse, hin zum Bücherschrank, hin auch zu jenen Magazinen, in denen verhandelt wird, was Religion und Gesellschaft beschäftigt oder doch zumindest beschäftigen sollte, bin aber sogleich geschockt und auch gehemmt, ob der schieren Masse der mir dort engegenschwappenden Buchstaben, auch wenn sie in einer schönen Schrift dargeboten werden, der Font ist wohl gewählt, der Fond vermag nicht immer zu schmecken, vor allem, wenn die Autor:innen ihr eigenes Süppchen kochen. Wo? Wo bin ich da als Leser? Das frage ich mich dann schon. Schreiben ist ja auch Denken und sich beim Denken zuschauen lassen, aber ein wenig fertiger mit den eigenen Gedanken könnte man schon sein, bevor man Leuten so riesige Riemen zu irgendwelchen, womöglich vor allem den eigenen, Partikularproblemen zumutet.

Ich habe vor Kurzem eine Akademieveranstaltung auf YouTube nachvollzogen, wie man jetzt so schön zum Videogucken sagt, in der es um den Synodalen Weg der katholischen Kirche ging, auf dem Podium saßen die Chefin des Wegegangs, Irme Stetter-Karp, und eine profilierte Beobachterin, Christiane Florin vom Deutschlandfunk, aber zunächst, statt an das Podium zu übergeben, auf das ich mich ankündigungsgemäß freute, so wird es ja auch den dort tatsächlich im Fleische anwesenden Gästen der Veranstaltung gegangen sein, meine ich, sprachen zwei Herren, der eine war der sog. Gastgeber, der andere hatte wohl das Geld oder war anderweitig vom Fach, fast eine halbe Stunde sprachen die Beiden und ich war sehr dankbar, dass ich die Veranstaltung eben nur auf YouTube nachvollzog, wie man jetzt so schön das auf dem heimischen Sofa Nach-Schauen nennt, so dass ich die beiden Herren, nachdem ich ihnen je eine Bewährungsprobe von wenigen Minuten zugestanden hatte, eiskalt überspulen konnte, dann war ich in der Gesprächsrunde mit den zwei Frauen angekommen, deretwegen ich ja auf das Video geklickt hatte, einer Empfehlung auf Twitter folgend, und das Gespräch der Beiden wäre sicherlich noch spannender gewesen, hätte nicht auch diesen Dialog, den sie selbstredend gut auch miteinander ohne Hilfe eines Dritten hätten führen können, ein weiterer Mann mit überlangen, sich im Quadrat quälenden Fragen unter-brechend aufgehalten.

Dann habe ich mich, es folgt jetzt ein schamloser Werbeblock, mit Dorothee Sölle befasst, weil wir bei der Eule, gemeinsam mit der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt, die ihren wirklich schönen Sitz in der EKD-Hauptstadt Lutherstadt Wittenberg einnimmt, ein Projekt machen, das sich mit Sölle & dem Osten beschäftigt. Ich habe also die Augen und Ohren offen gehalten, online und offline, auch in mein Bücherregal geschaut, in dem aber außer der „Stellvertretung“ und „Lieben und Arbeiten“ so auf Anhieb gar nix von Sölle zu finden war, so dass ich diesem Mangelzustand in geordneter, aber fiskalisch sensibler Weise Abhilfe schaffen musste, vor allem aber habe ich mit Menschen gesprochen, die Sölle erlebt haben oder sie erforschen, und das war und ist alles sehr spannend, aber nicht in dem Sinne, wie es seit einigen Jahren in der evangelischen Kirche gemeint wird: „spannend“ heißt da, hm hm ja ja, aber daraus wird eh nichts, sondern wirklich interessant und zum Teil auch bewegend.

Und da sagte mir Sarah Jäger, die Juniorprofessorin für Systematische Theologie/Ethik in Jena an der Friedrich-Schiller-Universität ist, in dem kalten Seminarraum mit der Baustelle vor den Fenstern, dass sie an Sölle schon, trotz aller Wertschätzung für ihre Ernsthaftigkeit, die wir Enkel uns bei ihr abschauen dürften, ihre überbordende Entschiedenheit in politischen Sachfragen kritisiere, die mir bei meinen minimalen Re- und Erstlektüren erst gar nicht aufgefallen war, die ich aber dann im Nachhinein auch in „Lieben und arbeiten“ in einigen Passagen gefunden habe, die man heute und wenn man ehrlich ist, wohl ein wenig differenzierter anginge, die man jedenfalls heute so nicht durchhalten müsse, meinte Sarah Jäger, weil eine fragendere Haltung, die sich nicht immer schon sicher ist, sowieso auch glaubwürdiger sei. Und da gebe ich ihr vollkommen Recht.

Dann habe ich mich auch an mich selbst erinnert, wie ich den Digitalisierer:innen in der Evangelischen Kirche im Osten vor ein paar Wochen eine dem Vernehmen nach gefühlige Erbauungspredigt gehalten habe, die ungefähr so ging: Man solle doch auch mal eskalieren, jedenfalls sich nicht so haben, nicht so besorgt sein, mehr Fragen stellen, Sie merken schon, was ich meine, woraufhin ich den Abendbrottisch deckte, mich mit den Meinigen an denselben setzte, Alle Guten Gaben, alles was wir haben, kommt, oh Gott, von Dir, wir danken Dir dafür, betete und alsdann beherzt zulangte, denn: Die Wahrheit ist immer konkret.


Das Foto zeigt das Kunstprojekt “Gaia” in der Frauenkirche Dresden.

Vielen Dank noch einmal an Lea für die schweizerische Schoki.

[Reupload] Idea und der Islam

Von April 2013 bis Februar 2017 sind viele Artikel von mir auf theologiestudierende.de erschienen. Anders als die “Unter Heiden”-Artikel habe ich den Großteil meiner Artikel nicht gleichzeitig (oder mit Verzögerung) hier auf dem Blog gepostet. Nachdem das Gruppenblog vor einigen Wochen vom Netz gegangen ist, sind diese Artikel nun nicht mehr einfach online zu erreichen. Das ist nicht schlimm. Um einige Artikel ist es aber, finde ich, schade. Vor allem, weil ich noch heute mit Verlinkungen gerne auf sie zurückkomme. Man muss sich ja nicht ständig wiederholen.

Ein paar dieser Artikel, darunter die längeren Essays, werde ich gelegentlich und absolut unregelmäßig, wenn es mir passend erscheint, hier auf meinem Blog erneut hochladen. Und zwar nahezu unverändert zur ursprünglich veröffentlichten Version. Was auch heißt, dass seit Abfassung mehrere Jahre des Lernens und Schreibens vergangen sind. Alle Texte sind unzureichend, aber so ist das halt.

Den Artikel über die Befassung mit dem Islam in der Zeitschrift ideaSpektrum lade ich wieder hoch, weil ich auf Ideain einem aktuellen “Die rechte Ecke”-Artikel Bezug nehme. Die Grafiken, die wir damals extra gebastelt haben, haben die Rettung vom theologiestudierende.de-Server nicht überlebt, sorry.


Idea und der Islam

10. August 2016

Kollege Melzer hat am Montag seinen Unmut über einen Kommentar in der aktuellen Ausgabe der idea Spektrum geäußert: „Heute […] schreibt der Leiter von eben diesem idea einen Artikel, in dem er eben jene frohe Botschaft völlig verdreht, um seine Leserschaft gegen den Islam zu politisieren.“ Wie steht es um idea und ihren Umgang mit dem Islam? Ist sie beispielhaft für einen vermuteten Wandel innerhalb des Evangelikalismus?

Themenmonat Islam und Theologie

Viele Muslime leben seit Jahrzehnten (manche gar seit Jahrhunderten) in Europa, andere wandern zur Zeit ein oder befinden sich auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung. Welche Rolle spielt ihre Religion in diesen Konflikten und in ihrem Alltag? Welche Impulse gehen von der islamischen Theologie aus? Was kann die christliche Theologie zur Debatte beitragen? Was können wir voneinander lernen?

Anknüpfend an einen vielbesprochenen Artikel von Liane Bednarz wurde Anfang des Jahres das Verhältnis der Evangelikalen zur politischen Rechten diskutiert. Hier bin ich Unter Heiden schon einmal ausführlich auf das Thema Evangelikalismus und Politik eingegangen. Damals habe ich in weiten Teilen des Evangelikalismus Anknüpfungspunkte für eine sich dezidiert als rechts verstehende Politik festgestellt. Ich nannte das damals die deutsche Tea-Party.

Kritik an idea

idea steht spätestens seit dem letzten Herbst für ihre anti-muslimische Grundhaltung und ihre Ablehnung der EKD in der Kritik. Das ist insofern interessant, weil idea mit 130.000 Euro jährlich von der EKD, also aus der Kirchensteuer der Mitglieder der Landeskirchen gefördert wird, die bei idea gerne mal auf die Mütze bekommen. „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“, sollte für ein journalistisches Medium zwar nicht gelten, doch die Tonalität der EKD-Kritik, bis hin dazu, die allgemeine Lauheit des Glaubens der Landeskirchler zu beklagen, ist immer wieder bemerkenswert.

„[Reupload] Idea und der Islam“ weiterlesen

[Reupload] Moment mal: Auf Geisterjagd

Von April 2013 bis Februar 2017 sind viele Artikel von mir auf theologiestudierende.de erschienen. Anders als die “Unter Heiden”-Artikel habe ich den Großteil meiner Artikel nicht gleichzeitig (oder mit Verzögerung) hier auf dem Blog gepostet. Nachdem das Gruppenblog vor einigen Wochen vom Netz gegangen ist, sind diese Artikel nun nicht mehr einfach online zu erreichen. Das ist nicht schlimm. Um einige Artikel ist es aber, finde ich, schade. Vor allem, weil ich noch heute mit Verlinkungen gerne auf sie zurückkomme. Man muss sich ja nicht ständig wiederholen.

Ein paar dieser Artikel, darunter die längeren Essays, werde ich gelegentlich und absolut unregelmäßig, wenn es mir passend erscheint, hier auf meinem Blog erneut hochladen. Und zwar nahezu unverändert zur ursprünglich veröffentlichten Version. Was auch heißt, dass seit Abfassung mehrere Jahre des Lernens und Schreibens vergangen sind. Alle Texte sind unzureichend, aber so ist das halt.

Den folgenden Artikel über Halloween lade ich wieder hoch, weil die Eule-Familienkolumnistin Daniela Albert in ihrem aktuellen Text auf ihn Bezug nimmt.


Hellmouth, Master of Catherine of Cleves – Hours of Catherine of Cleves, Morgan Library & Museum (gemeinfrei)

Moment mal: Auf Geisterjagd

vom 27. Oktober 2014

Wir feiern Reformationsjubiläum, am kommenden Freitag ist es wieder soweit, diesmal zum 497. Mal. Doch hat auch hierzulande der heidnische Brauch des Halloween-Festes die feierliche Erinnerung der Reformation verdrängt. Und es sind nicht nur die „neuen Heiden“, die Halloween feiern, viele Christen nehmen am Spektakel teil. Eine Polemik.

Einige Kirchenleute kämpfen noch. Sie versuchen sich Halloween zu erwehren. Das Fest wird als heidnischer Brauch denunziert, obwohl er ebenso starke christliche Wurzeln hat, wie keltische Ursprünge. Sie geißeln den kommerziellen Hintergrund des Festes, das sich natürlich an Kinder richtet und kritisieren, dass bei dieser Gelegenheit noch mehr Süßigkeiten, Spielzeug und Kram vertickt werden. Manche theologische Kritik geht so weit zu behaupten, dass die „Geisterwelt“, das Abseitige, Dunkle, Geheimnissvolle für Christen nicht von Bedeutung wäre. Ja, dass es unter Christen keinen Platz für den Glauben an Gespenster, Verstorbene, die nicht zur Ruhe kommen, gebe.

Natürlich ist das alles eine lächerliche Verkürzung der Lage. Auf der ganzen Welt gibt es christliche Bräuche, die deutschen Protestanten unbekannt sind und so gar nicht in den Kram passen dürften. Sie folgen häufig nicht der reinen Lehre, sind Verknotungen mit alten Volkstraditionen und animistischen Bräuchen. Gerade deshalb haben sie auch mehr Fleisch, verströmen Düfte und animieren zum Mitmachen. Dagegen stinkt die deutsche Festpraxis des Reformationstages ab.

Da ändert auch das Reformationsjubiläumsbohei der EKD nichts dran, auch keine Luther-Verehrung mit passendem Merchandising und Bonbonschleuder und erst recht nicht das beleidigte Schmollen der Kirchenleute, die „neuen Heiden“ wüssten halt einfach nicht, was gut für sie ist. Wenn es uns mit dem Reformationsfest ernst ist, dann muss es eben das bleiben: „ernst“, so richtig trocken protestantisch.

Von den Heiden lernen

Man muss den Reformationstag nicht gegen Halloween auspielen und umgekehrt. Was stattdessen Not tut, ist, Halloween als christliches Fest (wieder-)zuentdecken. Denn, lasst uns ehrlich miteinander sein: Halloween wird nicht einfach wieder verschwinden. Es geht darum, Halloween für das Evangelium zu reklamieren, in Besitz zu nehmen. Dafür muss man es natürlich erst einmal voll und ganz mitfeiern! Das ließe sich tatsächlich von den Heiden unter uns lernen.

Denn worum geht es? Um den Spaß am Verkleiden, in eine andere Rolle zu schlüpfen, die Nacht zum Tage zu machen, sich ein wenig zu fürchten, gemeinsam unterwegs zu sein, Süßes oder Saures zu schmecken, zu lärmen und die bösen Geister zu verscheuchen. Darin kann ich beim besten Willen nichts Schlechtes sehen. Und auch nichts, was dem Evangelium entgegen stünde.

Macht Euch mal locker!

Und wenn wir uns alle mal locker gemacht und Spaß an Halloween gefunden haben, dann, ja, dann können wir anfangen, anders über All Hallow’s Eve zu reden. Vielleicht ja so ähnlich wie im untenstehenden Video. Dann ist es Zeit, das Fest in die Kirchenmauern zurück zu holen, in denen kann man sich auch fürchterlich fürchten. Und was spricht eigentlich gegen eine Geisternacht in der Kirche? Das bedeutet im Übrigen nicht, dass der Reformationstag nicht gefeiert gehört: Am Morgen Reformationssause bitte ohne unsinnigen Kladderadatsch, am Abend dann raus zur Geisterjagd!